Das Schwein unter den Fischen
auf die Straße.«
Dunja schmiert mir einen Toast. Sie hat nur eine dünne Schicht Margarine und eine noch dünnere Schicht Quittengelee draufgeschmiert und ist nach oben verschwunden. Ein vollbärtiger Mann schaut um die Ecke.
»Moin, ich bin Herri.«
»Stine.«
»Herzlich willkommen, Glück auf, ich muss mal. Wir sehn uns zum Tagescheck um elf.«
Da ist er auch schon wieder verschwunden. Dunja kommt zurück, wirft einen Blick auf den halben Toast, der auf meinem Teller liegt, und greift beherzt zu.
»Magst nicht mehr? Ich schon! Du sollst jetzt zu Joachim. Treppe hoch und anklopfen nicht vergessen.«
Ich klopfe, Joachim antwortet nicht. Vorsichtig öffne ich die Tür.
»Komm rein«, ruft er. Er sitzt im Schneidersitz auf einer Decke. Ich denke an Iris. Er trägt Leggins.
»Hast du schon mal meditiert?«, fragt er mit sanfter Stimme.
»Nö.«
»Weißt du, worum es dabei geht?«
Er streckt sich ausgiebig.
»Entspannung«, antworte ich.
Er lächelt milde, streckt sich weiter mit geschlossenen Augen und furzt dabei mehrmals. Er entschuldigt sich nicht, sondern lächelt nur. Mir wird ein bisschen schlecht. Ich nehme schnell einen großen Schluck Pfefferminztee.
Joachim steht auf, dehnt sich und sagt:
»Das In-sich-Gehen ist ein großes Stück des Weges, den man geht. Es ist wohl der härteste Weg, schwer zu beschreiben, was mit mir geschieht. Es ist für dich auch unerheblich, denn es ist lediglich mein Weg.«
»Aber es gibt doch sicher etwas Allgemeines dazu zu sagen. Sonst gäbe es ja schließlich keine Bücher über Meditation. Und die gibt es ja nun haufenweise!«
Kurz entgleist ihm sein mildes Lächeln.
»Schlaues Kind. Doch da spielt sicher die Raffgier auch noch eine Rolle. Solltest du eigentlich wissen. Nun gut, sagen wir es mal so: Wenn du eine Birne isst, dann hast du diesen Geschmack der Birne auf der Zunge. Er durchfließt deinen Körper, der Geschmack begehrt dich, du begehrst ihn.Der Geschmack der Birne, das Erlebnis des Kauens, das sind deine ganz persönlichen Erfahrungen. Du kannst dieses Erlebnis nicht verbindlich beschreiben. Trotzdem vermutest du, dass andere es auch so erleben – nur eben für sich. Und auf diese Art schaue ich auch Gott in mir an, das ist der Geschmack Gottes.«
»Ich mag aber keine Birnen«, sage ich.
Er lächelt nun gar nicht mehr.
»Dann eben Äpfel oder Bananen oder irgendein anderes Obst, meinetwegen auch Gemüse! Etwas aus der Natur, das man eben essen kann!«
»Und was ist mit industriell gefertigten Lebensmitteln?«, frage ich betont sachlich.
»Wenn es denn zum Verständnis beiträgt, ja. Auch die sind schließlich aus Gottes Ressourcen gemacht! Alles läuft auf dasselbe hinaus.«
»Ach, das ist ja einfach«, sage ich spöttisch.
Seine tiefe Entspannung scheint allmählich einer gewöhnlichen schlechten Laune zu weichen. Er beendet seine letzten Dehnübungen, verliert an Halt und taumelt. Ich mache keine Anstalten, ihm zu Hilfe zu eilen. Durch tiefes Einatmen mit gefalteten Händen erlangt er sein Gleichgewicht wieder.
»Madonna, mein Kreislauf!«, sagt er, schüttelt sich, springt auf und ab, läuft wie eine Marionette, pustet, streckt die Arme in die Luft, macht den Hampelmann. Ich frage mich, was ich hier überhaupt soll? Endlich lässt Joachim sich auf einen Drehstuhl fallen und dreht sich einmal im Kreis.
»Hast du schon alle kennengelernt?«, fragt er.
»Betti, Dunja und Harry. Sind das alle?«
»Er heißt Herri, nicht Harry! Wir sind hier nicht in Amerika. Eigentlich heißt er Heribert, aber den Namen kann er nicht leiden. Wenn man ihn so nennt, schweigt er gern mal einen halben Tag. Er hat fast immer Durchfall oder Verstopfung. Nächste Woche geht er endlich zur Akupunktur. Was weiß du über Gott, Celestine?«
»Gott? Wieso?«
»Na, schließlich arbeiten wir hier im Sinne der christlichen Nächstenliebe, das wirst du doch mitbekommen haben, als du mich und Ramona ausspioniert hast, oder?«
»Klar. Aber was tut das zur Sache?«
»Nun, wenn du hier anfangen willst zu arbeiten, solltest du schon ein wenig den Grundgedanken mittragen. Also, was fällt dir spontan zu Gott ein?«
»Okay. Also, Jesus ist sein Sohn und die Hauptfigur des Christentums!«
»Nicht schlecht, hätte ich dir gar nicht zugetraut.«
»Der Film läuft doch jedes Jahr im Dezember im Fernsehen, obwohl jeder das Ende schon kennt!«
»Und was ist das Ende?«
»Die Kreuzigung!«, rufe ich begeistert und hoffe, die Sache hat sich damit erledigt.
»Haben wir
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