Das Schwein unter den Fischen
mögen wir hier nämlich auch alle nicht.«
»Aha.«
»Nur die Körner im Brot finden wir hier alle gut, dabei sind das ja auch Stückchen. Irgendwie. Wir sind eben alle schon etwas älter. Da hat man so seine Eigenheiten entwickelt. Da weiß man, ob man Stückchen mag oder nicht!«
Ich lache aus Höflichkeit, Betti verzieht keine Miene. Sie legt die Hände auf den Kirschsaft und guckt mich lange an, als wolle sie mich hypnotisieren.
»Im Kirschsaft sind natürlich sowieso keine Stückchen. Nicht, dass du denkst, ich bin doof oder so.«
»Hauptsache es sind keine Kerne drin«, versuche ich zu scherzen.
Betti lacht nicht, sie lächelt nicht mal. Ich ziehe ungeschickt einen Stuhl unter dem Tisch hervor. Betti ruft:
»Der gelbe! Den nehme ich auch immer! Versteh das bitte nicht falsch, es gibt hier keine zugeteilten Sitzflächen oder so. Jeder kann sitzen, wo er will. Rot, grün, gelb, blau, egal! Aber ich mag Gelb als Farbe eben. Nur gelbes Essen find ich so was von eklig, Eigelb, igittigitt, damit kannst du mich jagen.«
»Verstehe«, entgegne ich ernst, »dann magst du auch keine Bananen?«
Ich versuche ein Gespräch nach ihrem Geschmack anzufangen.
»Nee, dingdong, denken nicht vergessen! Die sind ja nur gelb von außen. Innen sind sie eher hellbeige oder dunkelweiß!«
»Ah! Also würdest du auch einen gerupften Kanarienvogel essen?«
Kurz scheint sie irritiert, dann sagt sie:
»Häääää? Scherzkeks verschluckt, was? Würde ich nicht. Aber ich esse schon Fleisch, so ist das nicht. Du denkst jetzt bestimmt, ich bin so eine komische Alternative mit Doppelmoral, oder? Da sag ich dir mal was: Die ganzen Christen hier, angefangen bei Jo persönlich, die sind regelrecht doppelt und dreifach gemoppelt mit ihrer Moral. Ich würde sogar Meerschweinchenfleisch essen, in einem Land, wo die Kultur mir das abverlangt. Ich würde niemals Gastfreundschaft ausschlagen. Niemals! Ich muss jetzt mal ein paar Anrufe erledigen. Magst du mir auch einen Toast schmieren? Mit Hagebuttengelee. Gleich ist Jo wieder unter uns, also gebe ich das mit dir an dieser Stelle jetzt mal ab. Man kann mir nicht immer die Praktikanten aufhalsen. See you later!«
Weg ist sie. Sie hätte mir wenigstens sagen können, wo der Toaster steht.
Nachdem ich eine Weile danach gesucht habe, gehe ich zu ihrem Büro. Die Tür ist verschlossen, ich höre sie telefonieren und lausche. Sie wimmert irgendwas von »sie wüsste ja auch nicht weiter und sie hätte jetzt alles gegeben, aber Ulrich will wohl einfach nicht mehr«. Ich verziehe mich wieder in die Küche. Vielleicht heißt das Meerschweinchen Ulrich.
Kein Toaster zu entdecken. Ich öffne alle Türen und finde einen ganzen Schrank voll mit Löffelbiskuits und Tüten, die aussehen wie Chipstüten, aber keine sind. Ich lese die Zutaten und stelle fest, dass es sich um frittierte Schweinehaut handelt. Ich habe wirklich Hunger, aber wenn ich das esse, wird mir mit Sicherheit schlecht. Einen Schrank weiter finde ich mehrere Dosen mit Corned Beef und Hochzeitssuppe. Nirgends entdecke ich den Toaster, nur Toastbrot. Vielleicht kann ich es auf dem Herd toasten.
Es gibt auch keine Kaffeemaschine, nur einen Schnellkocher. Ich suche nach Instantkaffee und finde Zitronenteegranulat.
Ich mache das Radio an und drehe am Senderrad, bekomme aber nichts rein, außer Zischen und Piepen. Plötzlich sagt jemand mit einer weichen, dunklen Stimme hinter mir:
»Hier gibt es morgens keinen Empfang, erst ab fünfzehn Uhr, wir haben keine Ahnung, woran das liegt. Ich bin übrigens Dunja.«
Ich entschuldige mich für die verwüstete Küche. Alle Schränke sind geöffnet, die Schubladen rausgezogen. Dunja sagt, wenn sie Hunger habe, vergesse sie auch immer ihre Manieren. Sie drückt mich einmal kurz und fest: »Tag erst mal. Hoffe, Betti war nett zu dir.«
Dunja geht in Bettis Büro, kommt mit dem Toaster zurück und sagt:
»Du bist doch nicht unsere Sklavin! So, was kann ich für dich tun? Kaffee gibt es leider nicht. Joachim ist gegen unnatürliche Stimulanz. Also gibt es auch keinen Tee mit Wirkung. Er trinkt die ganze Zeit diese künstliche Zitronensuppe. Ich kann dir Pfefferminztee anbieten oder Eisenkraut.«
»Pfefferminz ist gut«, sage ich erleichtert.
»Minze ist gut für den Atem. Sollte Joachim mal trinken, wenn du weißt, was ich meine.« Sie lächelt verschwörerisch.
»Kann ich hier irgendwo eine Zigarette rauchen? Wahrscheinlich nicht, oder?«
»Da musst du schon für rausgehen. Also ganz raus,
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