Das Schwein unter den Fischen
Fall.«
»Wenn man Glück hat, schon, ja! Dann folgt Demut«, ruft er mit erhobenem Zeigefinger.
»Demut? Das Wort gefällt mir nicht«, sage ich und knülle die Tüte zusammen.
»Es ist nicht immer das, wonach es im ersten Moment aussieht! Es ist wie mit Gehorsam!«, sagt er.
»Also, ich denke nicht, dass ich mit Demut und Gehorsam etwas anfangen kann.«
Joachim legt einen Zeigefinger auf die Lippen, atmet tief durch die Nase ein und wieder aus, faltet dann die Hände auf dem Tisch und predigt:
»Mit ›Gehorsam‹ und ›Demut‹ ist nicht sklavische Unterordnung gemeint. Du musst alles dialogisch verstehen.« Er deutet auf mich, auf sich,immer hin und her und hebt dann beschwörend seinen Finger, reißt die Augen weit auf und fährt mit sanfter Stimme fort:
»In Gehorsam steckt das Wörtchen ›hören‹.«
Er legt wieder den Finger auf die Lippen und schweigt eine Weile. Dann lässt er seine flachen Hände mit ein wenig Abstand um seine Ohren kreisen, schließlich um meine, bis ich mich räuspere.
»Ein Wachsein für das Göttliche in uns, so auch ein Wachsein für die Mitmenschen … Dass ›Demut‹ und ›Gehorsam‹ Befreiung und innere Ruhe bedeuten – das sagt Jesus in der Bergpredigt.« Auf einmal holt er tief Luft, und dann wird es plötzlich sehr laut. Beinahe schreiend zitiert er:
»Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt! Es geht Jesus nicht um das Gewicht der Dinge! Wenn materielles Heil das Einzige ist, um das ich mich kümmere, wird die Sorge ängstlich. Ist nicht das Leben wichtiger als die Nahrung und der Leib wichtiger als die Kleidung? Fragt Jesus! Die ängstliche Sorge ist unproduktiv, man blockiert sich. Weder kann man sich selbst wahrnehmen noch die anderen. Der Mensch darf sich um seine Belange kümmern, aber nur soweit es in seiner Macht steht. Die Macht des Menschen ist begrenzt! Alles Weitere soll er demütig und gehorsam Gott überlassen, der auch die Vögel ernährt, ohne dass sie säen und ernten!«
Er knallt beide Hände mehrmals auf den Tisch, dreht die Handflächen dann langsam nach oben. Ich warte einen Moment, um sicherzugehen, dass er fertig ist, dann sage ich:
»Ich kann Vögel gut leiden. Vielleicht hat Gott Vögel lieber als Menschen, deshalb versorgt er sie, ohne dass sie eine Gegenleistung erbringen müssen.«
»Gott liebt alle seine Geschöpfe«, ruft Joachim Matthias und ballt die Hände zu Fäusten.
»Aber warum geht es zwischen Mensch und Gott dann ständig um Strafe und Belohnung, das ist doch irdisch, also gesellschaftlich längst überholt!« Joachim lehnt sich zurück, verschränkt die Arme und sagt:
»Ich will sicher nicht die Gottesverteidigung zum Inhalt meiner Einführungmachen. Aber ich habe hier ein paar ganz alltägliche Gegenstände in einem profanen Korb mitgebracht. Die würde ich dir jetzt gerne zeigen.«
Vielleicht zieht er gleich eine Handpuppe über seinen Schwanz und sagt, ich solle das Kasperle mal ganz lieb drücken. Stattdessen stellt er eine leere Flasche auf den Tisch und spricht:
»Das ist eine Pfandflasche. Was kann ich damit machen?«
Ich zucke mit den Schultern und mache ein grübelndes Gesicht.
»Na, was? Eine Pfandflasche, Celestine! Da muss man doch nicht lange nachdenken! Sag schon!«
»Laut Jesus sollte ich sie wegwerfen, anstatt mir die Mühe zu machen, mich im Supermarkt an den Rückgabeschalter zu stellen und ewig zu warten, bis jemand kommt, um mir dafür ein paar Cent zu geben. Ich soll mich schließlich nicht unnötig mit Sorge und Aktivität bezüglich meines materiellen Wohls aufhalten, sondern mich mit Wichtigerem beschäftigen, oder?«
»Unsinn! Unsinn!«, ruft er verärgert.
»Wieso Unsinn? Hast du dort schon mal gewartet? Meistens kommt keiner, obwohl man klingelt. Das ist wirklich Zeitverschwendung. Ich kauf daher nur noch Tetrapaks.«
»Das meine ich nicht. Die Flasche ist geliehen, oder? Wenn es eine Pfandflasche ist, ist sie eine Leihgabe!« Joachim Matthias brüllt.
»Nein, nicht solange ich das Geld dafür hingelegt habe. Solange ich es nicht zurückbekommen habe, ist es meine Flasche!«, brülle ich zurück.
Er gibt eine Art beherrschtes Knurren von sich, hebt die Flasche an und stellt sie geräuschvoll zurück auf den Tisch.
»Nein. Nein. Nein. Du bist nicht der Eigentümer, du bist nur der vorübergehend Nutzungsberechtigte! So ist es gedacht und geregelt und gemeint! Wenn du dich daran nicht
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