Das Schwein unter den Fischen
ich heute Abend mache.«
Es scheint ihn nicht besonders zu interessieren, er ist schon auf dem Weg in den Imbiss.
Bei Heinrich angekommen, bleibe ich erst mal eine Weile im Flur stehen und lausche. Ich suche unter allen drei Garderoben nach ihren Schuhen, später im Bad nach Haaren oder neuen Kosmetikartikeln. Aber ich entdecke weder von Enki noch von der Blonden eine Spur. Ich sauge wie eine Besessene jeden Winkel des fast leeren Zimmers und dann den Flur im unteren Stockwerk. Die Sachen von gestern sind überall verteilt, einigeliegen in der Küche und auf der Treppe. Ich zertrete einen der alten Blumensträuße und sauge ihn auf. Plötzlich steht Heinrich in einer langen Unterhose vor mir. Er sieht gleichermaßen müde und wütend aus.
»Stine, Kind, was soll das? Warum machst du so einen Lärm?«
»Früher Vogel fängt den Wurm!«, brülle ich.
»Wurm? Saugen am Morgen, das ist menschenverachtend!«, brüllt er zurück.
Ich sauge den Staub von der Decke, aus den Ecken, verlassene Spinnennester mit Fliegenleichen wirbeln durch die Luft, bis sie in meinem Saugrohr verschwinden.
»Lass das, das ist nicht gesund so früh, da kann einem ja angst und bange vor dir werden.« Heinrich ist wirklich wütend.
»Hausarbeit ist gut für den Kreislauf!«, rufe ich.
»Aber du schwitzt doch, bei diesen Temperaturen sollte man nichts tun, nur ruhen oder trinken.«
Ich schaue an mir runter, mein Hemd ist klatschnass und durchsichtig. Heinrich schaut nicht hin, nicht einmal kurz. Er hält sich die Ohren zu und geht wieder in sein Schlafzimmer. Ich sauge mich bis ins letzte Dunkel des Flures vor und stehe irgendwann vor einer verschlossenen Tür. Ich mache den Staubsauger aus und klopfe.
Sofort höre ich ein hellwaches »Herein!«.
Als ich die Tür mit einem Ruck öffne, stoße ich gegen zwei Füße. Er zieht sie zurück, ich schaue um die Ecke, Enki ist allein.
»Störe ich?«
Er trägt nur weiße Boxershorts und grinst, neben ihm liegt eine aufgeschnittene Ananas in einem tiefen Teller, daneben eine Dose Sprühsahne.
»Schon gefrühstückt?«, fragt er.
»Ich habe keinen Hunger.«
»Nicht? Dabei hast du dich so verausgabt. Bezahlt Heinrich dich dafür?«
»Was geht dich das an?«
»Nichts.«
»Wo ist deine hübsche Freundin?«, frage ich und beiße mir auf die Lippe. Er mustert mich, starrt lange auf meine Brüste, schaut mir in dieAugen und wieder auf mein nasses Hemd. Als ich die Arme verschränke, sieht er mir länger in die Augen. Ich halte seinem Blick stand, bis mir schwindelig wird.
»Meine Freundin? Du meinst Dahlia?«
»Die Blonde, ja. Was ist das denn für ein Name, hört sich an, als wäre jemand besoffen.«
»Dahlia ist nicht blond«.
»Und wer war die Blonde, die ich gestern mit dir im Treppenhaus gesehen habe?«
»Ach so, das war Kirsten, ich habe sie gezeichnet.«
»Und wer ist Dahlia?«
»Na, meine Freundin.«
Ich trete mit dem Fuß auf den Staubsaugerknopf und sauge eine aufgerissene Kondomverpackung auf. Er reißt das Kabel aus der Steckdose.
»Wer bist du überhaupt? Du kannst mir ja zumindest mal sagen, wie du heißt, bevor du mein Zimmer stürmst!«
»Das habe ich dir doch schon auf der Treppe gesagt!«
»Auf der Treppe?« Er sieht mich erstaunt an.
Ich weiß noch genau, wie er mich damals angesehen hat, aber er sieht wahrscheinlich jeden so an, ohne sich dabei etwas zu denken. Gut, dass ich niemandem von unserer Begegnung erzählt habe, aber es gab ja auch nichts, das ich hätte erzählen können … Ich habe jemanden auf einer Treppe in einem Haus getroffen, der hat mir seinen Namen gesagt, ich habe ihm meinen Namen gesagt, und er hat das Licht eingeschaltet, im oberen Stockwerk eine Wohnungstür aufgeschlossen und die Tür hinter sich zugemacht. Dann bin ich nach Hause gegangen.
Ich kann nichts beweisen, und der einzige Zeuge kann sich an nichts mehr erinnern. Also ist die ganze Geschichte nichts wert. Ich kenne die weiße Unterhose neben der Ananas doch gar nicht. Mit meinen Gefühlen läuft etwas schief, Tränen machen Druck und halten mich vom Atmen ab. Der Geruch nach Ananas ist plötzlich überall, ich habe vorher nie bemerkt, wie penetrant Ananas riecht. Wenn ich jetzt nicht heule, muss ich kotzen oder mein Kreislauf kollabiert. Der Druck weitet sich allmählich aufdie Stirn und den Nacken aus. Ein Unterhosenidiot mit Ananas, denke ich mehrmals, kann mein weiches Befinden aber nicht mehr in zornige Bahnen lenken und stelle mich auf eine Ohnmacht ein. Verschwommen höre
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