Das Schwein unter den Fischen
nach Ananas. Am liebsten würde ich den Staubsauger öffnen und den Inhalt des Beutels auf dem Boden verteilen, damit ihm das Grinsen vergeht. Stattdessen nehme ich den Staubsauger und verlasse das Zimmer. Er ruft mir nach:
»Hey, das ist ein schöner Name, klingt französisch, bist du Französin? Ich bin Italiener!«
»Du bist doch nur ein halber Italiener«, rufe ich, ohne mich umzudrehen.
Er lacht.
»Ja, aber ich kann sein wie ein ganzer: Ciao bella bellissima!« Er pfeift.
»Fick dich doch ins Knie, fick doch Dahlia«, antworte ich.
»Hey, Celeste, ich hab es nicht so gemeint, es tut mir leid, warte doch mal, ich zieh mir nächstes Mal auch was an! Du heißt Stine! Siehst du, ich weiß es wieder, es ist mir eingefallen. Stine als Abkürzung von Celestine, das passt viel besser zu dir. Hey, warte doch mal!«
Ich lasse den Staubsauger auf dem Flur liegen und renne zur Tür, dort bleibe ich stehen, bis er bei mir ist und sagt:
»Küssen wir uns jetzt? Nur einmal kurz, damit wir wissen, wie es ist?«
»Damit wir das abhaken können? Gute Idee.«
Ich ziehe ihn an mich, lege ihm die Hände auf den Hintern, meine geöffneten Lippen auf seine, und stecke ihm die Zunge in den Mund. Er stöhnt auf und hält meinen Kopf fest. Das Gefühl ist unglaublich, besser als alles, was ich jemals erlebt habe. Ich weiß nicht, wie lange wir so im Flur stehen, aber plötzlich bekomme ich keine Luft mehr und dazu eine Höllenangst. Mit einem Ruck stoße ich ihn weg, knalle die Tür hinter mir zu und laufe die Treppen hinunter. Ich beschließe, ihn nie mehr wieder zu treffen, da ich Angst habe, sonst die Nerven zu verlieren und diesem Typen vollkommen ausgeliefert zu sein. Er hat eine Freundin, sage ich mehrmals laut zu mir – warum also sollte ich mich zum Idioten machen? Nur wegen eines Kusses? Mit den Armen vor dem nassen Hemd gehe ich in den Park, lege mich in der Nähe der Tischtennisplatte auf den Bauch unter einen Baum, drücke das Gesicht ins kühle Gras und versuche, mich zu beruhigen.
DAS GANZE OBST
Stine passt also zu mir. Was soll das heißen? Dahlia ist bestimmt eine überaus weibliche schöne Frau. Wenn man so einen klangvollen Namen hat, kann man nur gut aussehen. Ihre Eltern sind mit Sicherheit genauso schön wie sie. Deshalb waren sie sich auch der zukünftigen Schönheit ihrer Tochter gewiss und gaben ihr den Namen einer Blume. Sie sind die schönste Familie weit und breit.
Eines Tages trifft Dahlia einen jungen Mann, der genauso schön ist wie sie. Es ist Liebe auf den ersten Blick, und sie verbringen einen unglaublichen, sexy Sommer miteinander. Dahlia ist üppig und strotzt vor Weiblichkeit. Sie machen nichts, außer sich zu lieben oder das Bettlaken auszuwringen.
Der Grund, warum Dahlia in dieser Woche nicht mit Enki zusammen sein kann, ist, dass sie in Italien oder Spanien oder Brasilien oder wo auch immer Dahlias Verwandte herkommen, ihre kranke Großmutter pflegt und für die ganze Familie kocht. Ich könnte niemals sein wie Dahlia, auch nicht, wenn ich zehn Kilo zunähme. Ich bin keine Dahlia, ich bin nicht mal eine Celestine, ich bin einfach nur Stine. Vielleicht bin ich sogar nur eine schlechte Laune meines Vaters, ein ärgerlicher Zufall seiner Biografie, ein überflüssiger kleiner zickiger Fisch, ein Stint.
Kein Stint könnte jemals einen Lachs wie Dahlia ausstechen. Ich werde Enki nicht mehr beachten, ihn keines Blickes mehr würdigen, egal, wie oft er meine Nähe sucht oder wir uns zufällig treffen. Er wird jede einzelne Begegnung mit mir bereuen.
Zufällig laufen wir uns in den nächsten Tagen ständig über den Weg. Egal, was ich bei Heinrich in der Wohnung mache, er verfolgt mich, beobachtet mich, hilft mir. Obwohl ich kein einziges Wort mit ihm spreche, weicht ermir nicht von der Seite. Als ich eines Nachmittags nichts mehr zu putzen finde und Heinrichs Wohnung so glänzt, wie wahrscheinlich zuletzt vor seinem Einzug, entscheide ich, die Fugen im Badezimmer erneut zu reinigen. Es wird viel Zeit kosten, immerhin ist Heinrichs Bad noch größer als das in Kassians Haus. Enki folgt mir, wie immer, setzt sich mit einem Zeichenblock auf den kalten Boden und lehnt sich mit dem Rücken an die Wand. Ich besprühe einen Q-Tipp mit Reiniger und fahre damit langsam über die erste Fuge. Enki fängt an zu zeichnen. Ich schreie ihn an:
»Lass das gefälligst, ich sag schon Bescheid, wenn ich gezeichnet werden will!«
»Wer sagt, dass ich dich zeichne?«
Ich versuche, ihm den Block zu
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