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Das Schwert der Keltin

Das Schwert der Keltin

Titel: Das Schwert der Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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habe Freunde hier im Hafen. Sie sagen mir manchmal Dinge, die vielleicht von Nutzen sein könnten.« Luain lächelte. Seine Augen waren die eines Reihers, eines Jägers in stillen Wassern. Im Hafen kreischten die Möwen. Ich habe gehört, dass ihre Geister als weiße Vögel mit dem Wind ziehen können …
    Der Träumer fuhr fort: »Du und der belgische Junge könnt euch ja, wenn ihr wollt, im Bordell des Hafenmeisters verstecken. Aber ganz gewiss werde ich nicht zulassen, dass du Caradoc und seine Familie an einen Ort bringst, wo sie geschnappt werden wie in die Enge getriebene Ratten. Die Götter haben mit ihnen noch andere Pläne. Sie werden mit mir kommen. Wenn dir der Schwur, den du im Namen dieses fremden Gottes abgelegt hast, etwas wert ist, dann kannst du mit uns nach Westen zur Bucht von Manannan kommen und sehen, wie sie sicher an Bord jenes Schiffes gehen, das mit der Flut bei Mondaufgang auslaufen wird. Oder du lieferst dich jetzt dem Zenturio aus, der dich verfolgt, und kannst ihn vielleicht davon überzeugen, dass du dem neuen Kaiser genauso treu ergeben bist wie dem alten. Vielleicht lässt er dann ja die Anklage des Verrats, die bereits gegen dich erhoben wurde, wieder fallen.«
    Verrat. Sein Gott hatte ihm doch Erfolg versprochen. Was auch immer der Träumer da gerade sagte, so war Marullus lediglich ein Zenturio, und als solcher hatte er gar nicht die Macht, eine Anklage wegen Verrats wieder fallen zu lassen oder die Todesstrafe, die damit einherging, wieder aufzuheben. Allein der neue Kaiser vermochte dies: Nero, dessen Mutter nun an seiner statt regierte. Agrippina aber war nicht gerade bekannt für die Größe ihrer Gnade.
    Valerius verschwendete jetzt keine Energie mehr damit zu fragen, woher Luain mac Calma vom Hurenhaus des Hafenmeisters wusste; allein die Tatsache, dass er es wusste, reichte schon aus, um ihm seine unsichere Lage zu verdeutlichen. Valerius wog rasch seine Wahlmöglichkeiten und ihre Risiken gegeneinander ab. Die Anklage allerdings hätte ihn dennoch nicht allzu sehr überraschen sollen. Denn Xenophon hatte sich da sehr deutlich ausgedrückt, und auch die Risiken waren von vornherein klar gewesen: Wenn Valerius unvorsichtig würde, musste er sterben. Allerdings glaubte er nicht, dass er unvorsichtig gewesen war. Angestrengt versuchte er, auf den schmutzigen Verputz der gegenüberliegenden Wand das Bildnis seines Gottes zu projizieren, ganz so, wie er es auch im Palast des Kaisers getan hatte; und doch schaffte er es nicht. Verzweifelt bemüht, eine gewisse Distanz zu Luain mac Calma zu schaffen, fuhr er schließlich fort: »Eine verführerische Auswahl. Was hat dir dein Traum denn gesagt, wofür ich mich entscheiden würde?«
    Luain mac Calma starrte auf dieselbe Stelle des abblätternden Verputzes wie Valerius und schüttelte dann den Kopf, als ob Valerius’ Bemühungen und sein Versagen ihm nur allzu bildlich erschienen wären. »Meine Träume sagen mir gar nichts«, erwiderte er. »Es steht noch nicht fest, wofür du dich entscheiden wirst. Zu jedem Zeitpunkt bieten einem die Götter immer mehrere Wege in die Zukunft an. Und sie drängen uns niemals bei der Entscheidung, welchen dieser Wege wir einschlagen sollen.«
    Langsam verlor Valerius die Fassung. Sein Lächeln spannte sich zu straff über seine Zähne. Seine Haut schien plötzlich geschrumpft zu sein, oder vielleicht war sein Schädel auch größer geworden, und seine Gelenke waren plötzlich ganz steif. Die Unendliche Sonne, in deren Namen er seinen Eid geschworen hatte, schwieg, und allein der Eid blieb noch zurück. »Dann werden sie sich über unsere Unentschlossenheit sicher amüsieren«, entgegnete er.
    Der Träumer schüttelte den Kopf. »Das bezweifle ich.«
    Der in der Luft liegende Druck lastete so schwer auf ihnen, dass man damit geradezu eine Walnuss hätte knacken können. Valerius schloss die Augen. In der in seinem Kopf herrschenden Dunkelheit leuchteten plötzlich orangefarbene Schatten auf. Vor ihm erschien seine Mutter, Macha. Sie sprach auf Eceni zu ihm, doch Valerius ignorierte sie. Ihr folgte Iccius, der belgische Sklavenjunge, der in dem römischen Hypokaustum ums Leben gekommen war. Somit war er also nicht in dem kürzlich gekauften Sklavenjungen wieder zum Leben erweckt worden. Wenn Iccius nämlich gelebt hätte, wäre die Welt eine andere gewesen.
    Schon vor langer Zeit hatte Valerius gelernt, diese beiden Stimmen aus seinem Bewusstsein zu verbannen, und angesichts ihrer Gegenwart und der

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