Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
und deutlich hatte eingestehen hören. Ohne all den anderen Schlamassel wäre er überglücklich gewesen.
»Cara, ich bin schon verheiratet, und zwar mit der Frau, die ich liebe.«
Traurig schüttelte sie den Kopf. »Es tut mir Leid, Lord Rahl, aber diese Kahlan existiert einfach nicht.«
»Wenn sie nicht existiert, wieso konnte Shota mir dann Hinweise geben, die mir helfen werden, die Wahrheit herauszufinden?«
Wieder wandte Cara den Blick ab. »Weil die Wahrheit ist, dass Kahlan nicht existiert. Was sie Euch gesagt hat, wird Euch nur helfen, diese traurige Wahrheit zu entdecken. Habt Ihr je darüber nachgedacht?«
»Nur in meinen schlimmsten Albträumen«, sagte er und marschierte los Richtung Pass.
44
Als sie den Raben krächzen hörte, drehte Jillian sich um und blickte in den Himmel. Die ausgebreiteten Schwingen des prachtvollen Vogels schwankten leicht, als er sich von den unsichtbaren Luftströmungen des vollkommen blauen Himmels tragen ließ. Unter ihren Blicken stieß er ein erneutes Krächzen aus, ein raues, heiseres Geräusch, das in der tiefen Stille der Schluchten widerhallte und bis über die ausgedörrte, leicht hügelige, in der nachmittäglichen Sonne sengende Landschaft trug.
Jillian schnappte sich die kleine tote Echse, die neben ihr auf der bröckelnden Mauer lag, und hastete die staubige Gasse hinauf. Hoch oben zog der Rabe majestätisch seine Kreise und schaute zu, wie sie die Steigung hinaufrannte. Sie ahnte, dass er sie wahrscheinlich schon vor einer Ewigkeit erspäht hatte, lange bevor sie überhaupt wusste, dass er da war.
Die kleine Echse beim Schwanz haltend, stieg Jillian auf die Fußballen, reckte ihren Arm, so weit es irgend ging, in den Himmel und wedelte verlockend mit ihrer Opfergabe. Dann musste sie lachen, denn sie sah, wie der tintenschwarze Vogel, als er die geringelte Echse in ihren Fingern erspähte, mitten in der Luft kurz ins Wanken zu geraten schien. Augenblicklich ließ sich der Vogel über die Seite in einen steilen Sturzflug kippen, um bei seinem lotrechten Sturz in die Tiefe, die Flügel halb angezogen, immer mehr Fahrt aufnehmen zu können.
Ein Hüpfer, dann saß Jillian auf der verfallenen Steinmauer neben einigen herausgebrochenen Pflastersteinen, die einst Teil einer Straße gewesen waren. Im Laufe von Äonen war die Straße unter Schichten von Erde und Staub weitgehend verschüttet worden, Schichten, herangetragen von Wind und Regen, auf denen nun wilde Gräser und dürre Bäume wucherten. Ihr Großvater hatte ihr erzählt, all dies sei einst Teil eines ganz besonderen Ortes gewesen und sehr alt.
So alt, dass Jillian Mühe hatte, es sich vorzustellen. Als sie ihren Großvater in jüngeren Jahren gefragt hatte, ob dieser Ort älter sei als er, hatte er nur gelacht und erwidert, er wolle ja gerne zugeben, dass er alt sei, aber so alt nun auch wieder nicht, außerdem sei der Erdboden gar nicht imstande, die Errungenschaften der Menschen in der Spanne eines einzigen Menschenlebens so schnell unter sich zu begraben. Ein so langwieriger Vorgang, hatte er hinzugefügt, erfordere nicht nur sehr viel Zeit, sondern auch ein beträchtliches Maß an Vernachlässigung. Zeit war inzwischen reichlich vergangen, und da von der Bevölkerung kaum noch jemand übrig war, hatte die Vernachlässigung immer weiter um sich greifen können.
Er hatte ihr erzählt, dass diese menschenleere alte Stadt einst von ihren Vorfahren bewohnt gewesen war. Jillian liebte seine Geschichten über dieses rätselhafte Volk, das einst an diesem Ort gelebt und diese unglaubliche Stadt oben auf der Landzunge jenseits der steinernen Säulen errichtet hatte.
Ihr Großvater war ein Geschichtenerzähler; und weil sie stets ganz versessen darauf war, seinen Erzählungen der alten Geschichten zu lauschen, hatte er ihr versprochen – unter der Voraussetzung, dass sie bereit war, sich die nötige Mühe zu geben -, sie zu jener Erzählerin zu machen, die eines Tages seinen Platz einnehmen würde. So begeistert sie war, zur Erzählerin ausgebildet zu werden und all die Dinge zu beherrschen, die es dafür zu lernen galt, jemand zu werden, der wegen seines Wissens über die alten Zeiten und ihr Erbe in hohem Ansehen stand – die sich zwangsläufig daraus ergebende Folgerung, dass ihr Aufstieg innerhalb ihres Volkes gleichzeitig das Ableben ihres Großvaters bedeutete, behagte ihr gar nicht.
Lokey ließ sich neben ihr nieder, faltete seine schwarz glänzenden Flügel zusammen und riss sie damit aus
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