Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
benommen vom Aufprall gegen die Außenwand des Hauses, an einer Hand und versuchte keuchend, Luft in seine Lungen zu saugen.
Die feuchte Nachtluft, dazu der harte Aufprall gegen die Wand gleich nach dem eiskalten Atemzug, gefolgt von seinem Fenstersturz, schienen sich verschworen zu haben, ihm nach Kräften die Luft zu nehmen. Aus den Augenwinkeln konnte er im flackernden Schein der Fackeln die Statue erkennen. Den Kopf stolz in den Nacken geworfen, die zu Fäusten geballten Hände seitlich am Körper, den Rücken durchgedrückt, bot die Figur einer unsichtbaren Macht, die sie zu unterjochen suchte, stolz die Stirn. Der Anblick gab Richard die nötige Kraft, endlich wieder Atem zu schöpfen. Er hustete, holte gleich noch einmal Luft und versuchte keuchend, wieder zu Atem zu kommen, während er mit den Füßen nach einem Halt tastete. Den gab es nicht. Ein flüchtiger Blick nach unten ergab, dass sich der Boden beängstigend tief unter ihm befand.
Seinem Gefühl nach war nicht auszuschließen, dass er sich die Schulter ausgekugelt hatte, trotzdem wagte er nicht loszulassen, denn er hing nur an einer Hand. Ein Sturz aus dieser Höhe, so seine Befürchtung, würde mindestens einen Beinbruch zur Folge haben.
Aus dem Fenster über ihm drang ein klagender Schrei, so gellend, dass sich ihm sämtliche Körperhaare sträubten und jeder Nerv schmerzgequält aufschrie, ein Laut, so dunkel, boshaft und entsetzlich, dass Richard glaubte, der Schleier zur Unterwelt müsse zerrissen und der Hüter des Totenreiches auf die Welt der Lebenden losgelassen worden sein.
Der hemmungslose Klagelaut im Zimmer über ihm zog sich in die Länge, bis er in ein an- und abschwellendes, wutschäumendes Kreischen überging, ein Laut puren Hasses.
Dem Brodem des Erzbösen gleich schwappte ein dunkler, körperloser Schatten durch das zertrümmerte Fenster. Obwohl das Etwas weder Form noch Gestalt besaß, war Richard irgendwie vollkommen klar, dass dies mehr war als eine Verkörperung des Bösen, dies war eine Geißel Gottes auf der Jagd, der Tod höchstselbst.
Kaum war der tintenschwarze Schatten durch das Fenster und in die Nacht hinausgeschlüpft, löste er sich urplötzlich in tausend flatternde Formen auf, die in allen Richtungen davonstoben. Die kalte Schwärze zerfiel, verschmolz mit der Nacht und ähnelte immer mehr den Schatten dort, wo sie am dunkelsten waren.
Richard, unfähig, sich von der Stelle zu rühren, hing noch immer keuchend an einer Hand und beobachtete das Geschehen, ständig in der Erwartung, dass das Wesen urplötzlich vor seinem Gesicht erneut zusammenwuchs und ihn in Stücke riss.
Einen Moment lang legte sich eine todesähnliche Stille über den Abhang. Anscheinend war der Schatten des Todes zu einem Teil der Nacht geworden. Die Zikaden, die bis zu diesem Moment verstummt waren, nahmen ihr Zirpen wieder auf, und als sie erneut ihr schrilles Lied anstimmten, entfernte sich das anschwellende Geräusch in einer Welle über das weitläufige Parkgelände bis hin zur fernen Statue.
»Lord Rahl!«, rief von unten eine Stimme. »Haltet durch!«
Der Rufer, auf dem Kopf einen Hut mit schmaler Krempe wie Ishaq, kam mit hastigen Schritten um das Gebäude herumgelaufen und hielt auf die Tür zu. Richard bezweifelte, ob er sich mit einer Hand so lange würde festhalten können, bis jemand ihm zu Hilfe käme. Er stöhnte vor Schmerzen, trotzdem gelang es ihm, seinen Körper so weit herumzudrehen, dass er seine andere Hand nach vorne strecken konnte und den Fenstersims zu fassen bekam, während seine Beine in beängstigender Höhe gemächlich hin und her baumelten. Erleichtert stellte er fest, dass schon die gleichmäßige Verteilung des Gewichts den Schmerz in seinem Arm ein wenig linderte.
Er hatte seinen Oberkörper kaum durch das zertrümmerte Fenster nach drinnen gezogen, da hörte er Leute in sein Zimmer stürmen. Die Lampe war nicht mehr zu sehen und lag wahrscheinlich unter den Trümmern begraben, deshalb war es schwierig, etwas zu erkennen. Männer kletterten über den am Boden liegenden Schutt hinweg, zertraten knirschend mit ihren Stiefeln die Mauerreste und zersplitterten die Trümmer des hölzernen Mobiliars, bis kräftige Hände ihn schließlich unter den Armen packten. Andere fassten ihn am Gürtel und wuchteten ihn vollends ins Zimmer, in dem es wegen der fast völligen Dunkelheit nicht eben leicht war, sich zu orientieren.
»Habt ihr es auch gesehen?«, wandte sich Richard an die Männer, während er mühsam
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