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Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)

Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert des Königs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Bledsoe
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Frau.«
    Er nickte, was mich wunderte. Ich hatte angenommen, er würde diese Vorstellung sofort zurückweisen. »Ja, das ist die einzige plausible Erklärung. Das ist das schlüssige Gesamtbild, auf das der Rahmen des Geschehens hindeutet, genau wie du gesagt hast.«
    Wir stellten den Kindersarg wieder an die alte Stelle zurück, bedeckten ihn mit der Grabplatte und dichteten sie mit dem Zement ab, den ich im Jutesack mitgebracht hatte. Danach stand ich auf, streckte mich kurz und stützte mich an der Wand ab, während ich die Kniesehnen dehnte. Dabei fiel mein Blick auf den Namen, der in die Grabplatte neben der des kleinen Prinzen eingemeißelt
war. Es gab mir einen Stich ins Herz. »Scheiße«, flüsterte ich.
    Phil drehte sich zu mir um. »Was ist los? Ach verdammt, Eddie, daran hab ich gar nicht gedacht, tut mir leid. War so sehr mit den eigenen Problemen beschäftigt, dass ich …«
    »Schon gut.« Ich wandte mich ab und zitterte dabei, als wäre ich seit Wochen nicht mehr nüchtern gewesen. Am liebsten hätte ich meinen Kopf gegen die Wand geknallt, um all die Bilder daraus zu vertreiben, die ungebeten auf mich einstürmten: wie sie gelacht hatte, wie sie mich umarmt hatte und – das war am schlimmsten – wie sie am Ende geschrien hatte.
    Phil sagte lange Zeit nichts. »Seltsame Vorstellung, dass sie jetzt fünfunddreißig wäre«, bemerkte er schließlich.
    »Stimmt.« Er hatte das Recht, von ihr zu reden, immerhin war er ihr Bruder.
    Er ließ seine Hand schwer auf meine Schulter fallen. Diese Geste erinnerte mich an meinen Vater. Früher hatte er oft versucht, mich auf diese Weise zu beruhigen. »Falls du …«
    Ich schnitt Phil das Wort ab. »Können wir jetzt bitte gehen? Ich muss mit deiner Frau sprechen.«
    Er lehnte den Kopf gegen die Wand und atmete tief durch. »Einverstanden, aber … Ich weiß nicht, ob sie dir wirklich weiterhelfen kann.«
    »Was meinst du damit?«
    »Es gibt da gewisse Dinge in ihrer Persönlichkeit, die nicht allgemein bekannt sind.«
    »Was für Dinge?«
    »Sie kann sich an nichts erinnern, das vor dem Tag unserer ersten Begegnung liegt. Das behauptet sie jedenfalls.«

NEUN
    E s gehörte einige Finesse dazu, unauffällig in den Gefängnisturm zu gelangen. Ich musste mich wie ein Wachsoldat anziehen, der pünktlich zum Schichtwechsel antritt. Und konnte dabei nur hoffen, niemand würde bemerken, dass diesmal sechs Männer statt der üblichen fünf zum Dienst erschienen waren.
    Als ich endlich ins Innere des Turms gelangt war, musste ich Helm und Rüstung ablegen, ehe ich die Treppe hinaufgeführt wurde. Oben wurde ich sehr gründlich von der älteren Frau durchsucht, die die inhaftierte Königin beaufsichtigte. Da sie mindestens dreißig Pfund mehr als ich auf die Waage brachte, ließ ich es ohne Widerworte über mich ergehen.
    Danach erklärte sie mir in barschem Ton die Regeln, an die sich jeder Gefängnisbesucher zu halten habe: »Setz dich auf den Stuhl an der Tür und lass ihn mit der Lehne zur Wand stehen. Du darfst der Gefangenen nichts übergeben und auch nichts von ihr entgegennehmen. Falls sie aus irgendeinem Grund durch die Gitterstäbe greift, zieh an dem Seil neben der Tür, dann fällt sofort eine eiserne Schranke herunter, die dich von der Gefangenen trennt. Falls du gegen irgendeine dieser Regeln verstößt, wird man dich festnehmen.« Auch wenn
ich mit Phil befreundet und mit seiner Erlaubnis hier war: Ich zweifelte keine Sekunde daran, dass sie jedes Wort ernst meinte.
    Schließlich gelangte ich – gut bewacht, meiner Waffen beraubt und wegen der vielen Stufen völlig außer Atem – in den Zellentrakt, der das ganze Obergeschoss des Turms einnahm. Der Besucherbereich bestand aus einem durch Eisengitter von der eigentlichen Zelle abgetrennten Kabuff. Auf der anderen Seite starrte Rhiannon, Königin von Arentia, aus dem Fenster.
    Sie trug Gefängniskleidung, die ihr viel zu groß war, ihre weiblichen Reize dennoch kaum verbergen konnte, genauso wenig wie die strenge Frisur. Das goldblonde Haar war straff nach hinten gekämmt und zu einem Pferdeschwanz gebunden, sodass ihr – selbstverständlich ungeschminktes – Gesicht deutlich zu sehen war. Mir fiel auf, dass auf dem Fenstersims drei kleine Vögel mit schillerndem Gefieder saßen, so als warteten sie nur darauf, dass die Königin sie fütterte.
    Als ich eingetreten war, hatte sie mit dem Rücken zu mir gestanden, sich jedoch sofort umgedreht. Gelassen sah sie mich jetzt an, mit Augen von so

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