Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
andere Mensch gleichgültig war. Und mein rohes, grausames Verhalten gehörte schlicht zu meiner Art, mich durchs Leben zu schlagen. Ich war ein Schwachkopf, der andere schikanierte, ein Widerling, dem man am besten aus dem Weg ging.
Doch auch ein solcher Mensch braucht Arbeit, und welch bessere konnte es für mich geben, als mich in einem fremden Heer zu verdingen? Auf Druck meines Vaters
hin hatte ich gelernt, mit Schwert und Dolch umzugehen, und es stellte sich heraus, dass ich ein Händchen dafür hatte. Da mir egal war, welche Seite siegte, machte es mir auch nichts aus, jeden beliebigen »Feind« niederzustechen. Und so zog ich fünf Jahre lang von einem Kleinstaat zum nächsten und brachte es dabei sogar bis zum Major – allerdings nur ein einziges Mal. Ich trank zu viel, tötete Menschen ohne jeden Grund und verhielt mich, allgemein betrachtet, so wie die meisten Berufssoldaten, die ich kannte. Ich erlebte Dinge, die so entsetzlich waren, dass sie jedem empfindsameren Mann oder jedem Mann mit einem Gewissen lebenslang Albträume beschert hätten, doch ich empfand das als eine befreiende Erfahrung.
Aber dabei blieb es nicht. Erneut trat ein Wandel bei mir ein, als ich eines Morgens – wieder mal – im Bett eines fremden Mädchens erwachte. Nur war dieses Mädchen tot, genau wie alle anderen in dem Freudenhaus, einschließlich meiner Heereskameraden.
Nie wieder habe ich einen so unheimlichen Tagesanbruch erlebt. Ich erwachte von irgendeinem Geräusch, konnte jedoch nicht herausfinden, was es war. Als die Sonne durchs Fenster drang, fuhr ich hoch. Der Körper des Mädchens war in der Nacht steif geworden, sodass ich mich nur mühsam aus ihren kalten Armen befreien konnte, die mich immer noch umklammerten. Ein einziger Schwertstoß hatte ihren Rücken bis zur Brust durchbohrt und war ihr mitten durchs Herz gedrungen. Die Matratze war voller Blut. Ihr Gesicht war mit einem verwunderten Ausdruck erstarrt, der Kiefer so heruntergeklappt, als würde sie staunen, doch ihre Augen waren geschlossen. Als ich sie, vorübergehend von Panik überwältigt,
zur Seite stieß, vertrieb ich mindestens zwei Dutzend Fliegen, die den Leichnam bereits für sich beanspruchten.
Wegen des Katers brummte mein Schädel, trotzdem beugte ich mich kurz hinunter, um meinen Körper zu mustern. Doch abgesehen von den alten rosafarbenen Narben konnte ich nichts Auffälliges entdecken. Offenbar war ich ungeschoren davongekommen. War es dem Mörder nur um das Mädchen gegangen? Und war ich wirklich so betrunken gewesen, dass ich nicht einmal aufgewacht war, als jemand ins Zimmer eindrang und das Mädchen erstach?
Während ich mich anzog, merkte ich, dass mein Geld immer noch in der Jackentasche steckte. Also war der Mörder gar nicht auf Geld aus gewesen. Ich durchsuchte jedes Zimmer des zweiten Stocks: überall das Gleiche. In jedem Bett ein Soldat und eine Hure, beide mit jeweils einem Schwerthieb getötet.
Der Schankraum unten war leer. Nachdem ich mich an den Flaschen bedient und genügend geschluckt hatte, um mein Kopfweh zu betäuben, trat ich auf die Straße hinaus. Unsere Pferde – wir hatten sie am Vorabend an den Pfosten festgebunden – waren verschwunden. Der getrocknete Kot verriet mir, dass sie schon seit mindestens sechs Stunden fort sein mussten. Der ganze winzige Ort, an dem sich verschiedene Handelsstraßen kreuzten, lag verlassen da. Allerdings fand ich keine weiteren Toten und auch keine Hinweise darauf, wann die Einheimischen von hier verschwunden waren. Es war so, als hätten sie sich einfach in Luft aufgelöst.
Da mir diese ganze Geschichte verdammt unheimlich
war, suchte ich nicht weiter, sondern ließ das Dorf, so schnell ich es auf meinen wackligen Beinen vermochte, hinter mir. Anfangs sagte mir mein von Wein vernebeltes Hirn, ich sei bereits so gut wie tot. Diejenigen, die alle anderen abgeschlachtet hatten, würden sicher bald merken, dass sie mich übersehen hatten. Und dann würden sie mich bis ans Ende der Welt verfolgen. Später, nachdem ich mich mehrmals übergeben und ein halb gares Karnickel hinuntergewürgt hatte, damit ich wenigstens irgendwas im Magen hatte, wurde mir klar, dass ich einfach nur unglaubliches, rätselhaftes Glück gehabt hatte.
Bis zum heutigen Tag kann ich nicht mit Gewissheit sagen, wer all diese Menschen getötet hat – und warum. Damals kämpften wir sowohl gegen verdeckt arbeitende Einheiten als auch gegen reguläre Truppen, und weder die einen noch die anderen
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