Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
Stirnfransen. »Ich brauche dringend ein Bad«, bemerkte sie.
»So schlimm riechst du doch noch gar nicht«, erwiderte ich, während ich meine Stiefel auszog und die Zehen streckte.
Sie zog eine Grimasse. »Zumindest nicht im Vergleich mit dir. Ist irgendein Lebewesen in deinen Socken verendet?«
»Im Gegenteil: Der Geruch hält das Ungeziefer fern.« Ich lehnte mich zurück und blickte zum blauen Himmel empor, der durch das Geäst schimmerte. Mir war schon lange nicht mehr aufgefallen, wie schön dieses Blau war.
Kathi schloss die Augen. »Ich hasse es, mich schmutzig zu fühlen. War schon immer so. Das ist das Schlimmste an einer Arbeit wie dieser.«
»Schlimmer, als sich gegen zudringliche Saukerle wehren zu müssen?«
Sie lachte. »Keine Frage!« Danach setzte sie sich auf und musterte mich eingehend mit abschätzendem Blick. Ich tat so, als merkte ich es nicht, war mir dessen aber sehr wohl bewusst. Schließlich verkündete sie im Brustton der Überzeugung: »Vorhin, in dem Rasthaus, hast du recht gehabt, Eddie. Ich müsste dir jetzt eigentlich vertrauen können. Und falls ich mich in dir täusche, bin ich selbst schuld.«
Sie kramte in ihrem Rucksack, holte die kleine Landkarte heraus, die sie mir nie hatte zeigen wollen, und breitete sie zwischen uns auf dem Moos aus. »Im Augenblick sind wir hier«, sie deutete auf einen Fleck neben der Schlangenlinie des Flusses, »und unser Ziel liegt da drüben. Es führt allerdings kein ausgewiesener Weg dorthin. Wir müssen nach Marksteinen Ausschau halten.«
Offenbar lag unser Ziel hoch oben im Ogachic-Gebirge. »Und was erwartet uns dort?«, fragte ich.
Sie zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich dort die Person finden werde, der ich das Päckchen übergeben soll.«
»Und weißt du, wie diese Person heißt?«
Sie nickte. »Epona Grau.«
»Eine Frau?«
»Klingt so.«
Ich blickte auf die Karte. Unser Ziel lag mitten im Nirgendwo. »Kommt es dir nicht seltsam vor, dass eine Frau so weit da draußen ein Päckchen bekommt?«
»Hängt ganz von der Frau ab. Oder vom Inhalt des Päckchens.«
»Und ich weiß weder was über die eine noch über das andere.«
Erneut sah sie mich lange wortlos an, bis sich ihre Miene plötzlich entspannte. »Also gut!« Sie spähte über den Baumstamm, um sich zu vergewissern, dass niemand uns beobachtete, und knöpfte ihr Hemd auf. Um ihre Taille hatte sie einen weichen, pelzgefütterten Gürtel gebunden, in den sie ein versiegeltes Kästchen gesteckt hatte, nicht größer als meine Hand. Sie zog es heraus und reichte es mir.
Ich untersuchte das Kästchen, ein unauffälliges Holzetui, umwickelt mit einer dünnen Schnur. Der Knoten war mit Wachs versiegelt, das jedoch keine Prägung aufwies. Der Inhalt konnte nicht größer sein als meine Hand. Als ich das Kästchen schüttelte, rutschte ein einzelner, ziemlich schwerer Gegenstand darin herum. »Klingt nach einem Stein.«
»Könnte sein.« Kathi verstaute das Kästchen wieder im Gürtel und knöpfte ihr Hemd zu. Verblüfft bemerkte ich, dass ich nicht einmal zu ihr herübergelinst hatte, um mir ihre nackte Haut anzusehen.
Wir warteten ab, bis es dunkel war, und schlichen uns schließlich wieder auf die Straße. Abends und nachts herrschte hier nicht viel Verkehr. Da fast schon Vollmond war, konnten wir fast so gut wie bei Tage sehen. Der leichte Ostwind, der für kühle, klare Luft sorgte, der hell strahlende Mond und die Stille – all das verband sich zu einer geradezu magischen Atmosphäre, sodass wir unwillkürlich die Stimmen senkten. Doch damals war uns nur wichtig, dass dieser Nachtmarsch uns wieder ein Stück näher an unser Ziel bringen würde.
Unterwegs erzählte mir Kathi von ihrem ersten Auftrag, der darin bestanden hatte, einen wertvollen Hund – auf Ausstellungen hatte er schon viele Preise gewonnen – zu seinem neuen Besitzer zu bringen. Gemeinsam mit ihrem Schützling, einer mittelgroßen Wolfshündin, war sie zwei Wochen lang ohne weitere Begleitung durch unbekanntes Gebiet gezogen, das sich zum Glück als ungefährlich erwies. Die Hündin hatte dabei so viel Fett verloren und so starke Muskeln ausgebildet, dass der Kunde ihr bei der Ablieferung nicht den vollen Lohn hatte auszahlen
wollen, doch damit war er bei ihr nicht durchgekommen.
»Das arme Tier hat Nacht für Nacht stundenlang den Mond angeheult«, sagte sie wehmütig. »Es war das traurigste, einsamste Klagen, das man sich vorstellen kann. Diese Wolfshündin hatte nie ein
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