Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
richtiges Zuhause gehabt, kannte nur den Zwinger, die Vorführung bei Ausstellungen und solche Dinge. Die frühere Besitzerin hat sie auch nie gestreichelt. Ständig hab ich versucht, die Hündin zu beruhigen und zu trösten, dann ging es auch meistens ein Weilchen gut. Trotzdem ist sie später wieder vom Lagerfeuer weggelaufen und hat weitergeheult.«
Ich hatte die Hände in den Taschen vergraben, betrachtete die im Mondlicht bläulich schimmernden Bäume und lauschte auf unsere Schritte, die mir in dieser Stille unnatürlich laut vorkamen. »Klingt so, als hätte die Hündin ein hartes Leben gehabt.«
Kathi stieß mit dem Fuß einen Stein weg. »Soll ich dir ein Geheimnis verraten?«, fragte sie, ohne mich anzusehen.
»Klar.«
»Eines Nachts, als die Hündin mir wieder mal so schrecklich einsam vorkam, hab ich aus Mitgefühl gemeinsam mit ihr den Mond angeheult. Hab mich nackt ausgezogen, im Mondlicht getanzt und den Mond angeheult …« Sie lächelte bei der Erinnerung daran.
Irgendetwas störte mich an diesem Bild. »Und wie viel hattest du vorher getrunken?«
Sie lachte leise – ein melodischer Klang. »Oh, ich war stocknüchtern, Eddie, genauso wie jetzt.« Sie blickte zum Himmel hinauf. »Meinst du, das könnte eine Göttin sein?«
»Wer? Diese Wolfshündin?«
»Unsinn, ich rede vom Mond. Die Mondpriesterinnen behaupten, der Mondschein sei das Licht, das die Mondgöttin ausstrahlt. Sie behaupten auch, es liege an ihrer Anziehungskraft, dass Frauen als Zeichen ihrer Fruchtbarkeit einmal im Monat bluten. Was hältst du davon?«
»Keine Ahnung.«
»Jedenfalls hoffe ich, dass es da draußen wirklich eine Mondgöttin gibt, die sich all das Geheul im Mondschein anhört.«
»Auf diesem Gebiet kenne ich mich wirklich nicht aus.«
Sie lachte erneut und tanzte vor mir her, und ihr Schatten tanzte mit. Niemals hatte ich Kathi so … gelöst erlebt. Ungehemmt fröhlich, ausgelassen wie ein Kind. Auch Janette hatte diesen verblüffenden Charakterzug gehabt: Je mehr Lebenserfahrung sie gesammelt hatte, desto unschuldiger war sie mir vorgekommen. In meinem Innern tobte ein Sturm widersprüchlicher Gefühle, aus denen ich nicht schlau wurde.
Nach diesem kleinen Gefühlsausbruch – auf beiden Seiten – setzten wir unseren Weg schweigend fort, bis wir nach Mitternacht unser Lager aufschlugen. Eine ganze Weile sah ich Kathi beim Schlafen zu und freute mich daran, wie der Feuerschein auf ihrem Gesicht spielte und ihre Gesichtszüge hervorhob. Sie hatte wunderbare Lippen – wieso fiel mir das erst jetzt auf? Volle Lippen, die sich bei passender Gelegenheit bestimmt reizend oder aufreizend vorstülpen konnten.
In der Ferne heulte ein Wolf, allerdings so weit entfernt, dass er keine Bedrohung darstellte. Und ich muss gestehen, dass ich damals gern mitgeheult hätte.
VIERZEHN
D er Karte folgend, wanderten Kathi und ich durch das Ogachic-Gebirge. Da es keinen Pfad gab, mussten wir quer durchs Gelände ziehen. Und je höher wir kamen, desto schwieriger wurde der Aufstieg, denn der Sandboden wich Felsgestein und der Wald Büschen und Unterholz. Es musste einen schnelleren, leichteren Weg zu unserem Bestimmungsort geben, doch die Karte zeigte keine anderen Möglichkeiten auf, und ich kannte mich in diesem Gebiet nicht aus.
Schließlich fanden wir oberhalb der Baumlinie einen Hinweis: Auf einem Felsen prangte der Umriss eines Pferdekopfes, mit weißer Farbe auf das schwarze Granitgestein gemalt. Die Skizze befand sich auf Augenhöhe und war etwa vier Fuß breit. Während Kathi auf die Karte sah, kratzte ich an der Farbe, doch sie blätterte nicht. »Bei diesem Kunstwerk hat sich jemand wirklich angestrengt«, bemerkte ich. »Ich weiß zwar nicht, was das für eine Farbe ist, aber sie sitzt so fest wie ein Siegel.«
»Muss sie ja auch, wenn sie bei der Witterung hier oben Bestand haben soll«, erwiderte Kathi. »Sicher sind die Winter sehr hart.«
Von den Unterrichtsstunden in meiner Kindheit her kannte ich mich in Kunst ein wenig aus. Diese Skizze war
nicht im üblichen, Motive nur andeutenden Stil dieser Gegend gehalten, dazu war sie allzu wirklichkeitsgetreu – bis hin zu den leicht geteilten Lippen und der fliegenden Mähne des Pferdes. Plötzlich bemerkte ich etwas gänzlich Unerwartetes.
Mit zusammengekniffenen Augen ging ich näher heran und musterte die Feinarbeit, mit der die Fransen der Pferdemähne ausgeführt waren. »Meine Güte«, flüsterte ich. »Kathi, das ist gar keine Farbe!«
Sie sah von
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