Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
zurückkehrte, hatte er einen uniformierten Polizisten mit widerspenstiger weißer Haarmähne im Schlepptau. »Eddie LaCrosse, Leonard Saye«, stellte er uns einander vor.
»Schön, dich kennenzulernen.« Ich schüttelte Saye die Hand.
»Er ist hier seit zwanzig Jahren im Streifendienst und kennt jeden«, erklärte Berni.
»Weiß nur über jeden Bescheid«, berichtigte Saye ihn. »Du stammst aus Arentia, wie? Hast immer noch einen leichten Akzent.«
»Das ist lange her«, erwiderte ich leichthin. »Bin zufällig dort geboren.«
»Aber den großen Skandal dort hast du doch sicher verfolgt, stimmt’s?«
Ich schüttelte den Kopf. »Gebe nicht viel auf Klatsch und Tratsch.«
»Na ja, euer König Philipp hat Königin Rhiannon zu lebenslänglicher Haft verurteilt, weil sie ihren gemeinsamen Sohn getötet hat. Hat außerdem erklärt, sie verdiene eigentlich die Todesstrafe, er wolle aber nur wegen ihres Falls nicht die Gesetze ändern.«
Gut gemacht, Phil , dachte ich. »Dann wird sie’s wohl verdient haben«, sagte ich laut.
»Doch jetzt halt dich fest«, fuhr Leonard fort. »Sie sitzt nicht etwa im Gefängnis und auch nicht in dem Turm für Schwerverbrecher, sondern für jeden sichtbar in einer Zelle am großen Stadttor. Tag für Tag muss sie da draußen hocken und sich gefallen lassen, dass die Menschen sie beleidigen, anspucken oder sonst was mit ihr machen können, solange sie die Frau nicht körperlich verletzen. Sie sitzt da wie ein Tier im Käfig.«
Er schüttelte den Kopf. »Hast du so was schon mal gehört?«
»Es heißt ja, dass die Rache der Lieblingssport der Könige ist.« Ich tat es mit einem Achselzucken ab. Insgeheim war ich einerseits froh über die Neuigkeiten, andererseits besorgt. Phil hatte das getan, was ich von ihm gefordert hatte: Er hatte die Königin öffentlich bestraft, und das
würde sich bis zu demjenigen herumsprechen, der Rhiannon in eine Falle gelockt hatte. Aber mir war auch klar, dass Phil bestimmt Höllenqualen litt, weil er jetzt außer dem Sohn auch noch die Frau verloren hatte und zugleich wusste, dass Rhiannon unschuldig und sein Kind vielleicht noch am Leben war.
Eine meiner lebhaftesten Erinnerungen an Phil reichte in die Zeit zurück, als er neun Jahre alt war. Damals musste er seinen Lieblingshund, die uralte, verkrüppelte Jagdhündin Rosi, von ihrem Leiden erlösen. Er wusste, dass alle Spielgefährten ihm, dem Kronprinzen, dabei zuschauten, also bemühte er sich, ein tapferes Gesicht zu machen. So respektvoll, wie es die treue Hündin verdiente, verabschiedete er sich von ihr und tötete sie danach mit einem schnellen, tödlichen Bogenschuss. Doch als er später allein war, weinte er stundenlang. Später sagte er mir, es wäre alles nicht so schlimm gewesen, hätte er Rosi vorher erklären können, was gleich geschehen würde. Aber diese Liebe, dieses Vertrauen in den Augen der alten Hündin noch in dem Moment, bevor der Pfeil sie tödlich traf, war zu viel für ihn gewesen. Den Verrat, den er seiner Meinung nach an ihr begangen hatte, konnte er nicht verkraften. Doch im Vergleich zu dem, was er jetzt zu ertragen hatte, musste ihm dieses schreckliche, lange nachwirkende Kindheitserlebnis wie ein Mückenstich vorkommen.
»Was kann ich für dich tun?«, fragte Saye und rief mich damit zurück in die Gegenwart.
»Hast du jemals von einem Mann namens Andras Reese gehört?« Schon wieder schoss mir dieser verdammte Reim durch den Kopf.
Saye überlegte kurz. »Nein. Wer soll das sein?«
»Keine Ahnung. Jedenfalls war er vor dreizehn Jahren so reich, dass er einen der besten Schwertkämpfer dazu anheuern konnte, jemanden umzubringen.«
»Wer war das? Dieser Auftragsmörder, meine ich.«
»Stan Carnahan.«
Saye machte große Augen und pfiff leise durch die Zähne. »Du lieber Himmel. Der Name ist mir noch sehr gut im Gedächtnis.«
»Hab dir ja gesagt, dass Leonard sich hier auskennt«, warf Berni ein.
»Ehe Stan verschwand, war er der Platzhirsch unter den Schwertkämpfern, die sich für Geld verdingten. Auf seine Weise war er die ehrlichste Haut, der ich je begegnet bin. Früher haben wir zwischen den Kämpfen miteinander gezecht oder zwischen den Zechgelagen miteinander gekämpft, ganz wie man will.« Saye schüttelte bewundernd den Kopf. »Hab mich immer gefragt, was aus ihm geworden ist.«
»Jedenfalls war er bis zum Schluss ein tapferer Kämpfer«, sagte ich, denn mehr wollte ich nicht verraten. »Wer könnte ihn damals angeheuert haben?«
Saye dachte
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