Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
Weg nach Kap Querna würde mir genügend Zeit bleiben, mich näher damit zu befassen, denn die Reise würde eine ganze Weile dauern.
Als ich den Blick hob, sah ich gerade noch, wie ein Vogel vom Fensterbrett losflog. Möglich, dass wieder einmal meine Fantasie mit mir durchging, aber einen Augenblick lang meinte ich, seine schimmernde Spur in der Luft zu erkennen.
EINUNDZWANZIG
A ndras Reese?«, wiederholte Berni Teller nachdenklich. »Reese, Reese ... Nein, der Name ist mir nicht bekan nt.«
Zwei Wochen, nachdem ich das Pergament in Eponas Kate gefunden hatte, befand ich mich im Dienstzimmer des Polizeichefs von Kap Querna, Bernhard Teller. Es war ein strahlend schöner Sommertag, und von draußen drang der Lärm der Stadt herein, doch da Bernis Quartier sich im sechsten Stock befand, standen wir im wahrsten Sinne des Wortes darüber. Er machte es sich auf seinem Arbeitssessel bequem und legte die Füße auf den Schreibtisch, an dessen Ende sein langes Dienstschwert lehnte. Er wirkte noch genauso drahtig und geistig hellwach, wie ich ihn in Erinnerung hatte. »Was für ein Kerl soll das sein?«, fragte er.
»Bin ihm nie begegnet. Im Augenblick ist er nur ein Name, verbunden mit einem Fall, an dem ich gerade arbeite. Ich weiß weder, wie alt er ist, noch aus welchem Land er stammt, bin mir aber sicher, dass er hier vor dreizehn Jahren gelebt hat. Und es könnte sein, dass er … missgestaltet ist.«
»Missgestaltet?«, wiederholte Berni.
»Oder aufgrund einer Verletzung körperbehindert.«
»Und du hast erwähnt, er sei wohlhabend.«
»Jedenfalls so wohlhabend, dass er einen Auftragsmörder dafür bezahlen konnte, elf Monate im Ogachic-Gebirge auf die beste Gelegenheit zu warten, sein Opfer umzubringen.«
Berni zupfte geistesabwesend an seinem Ohrläppchen, was bedeutete, dass er nachdachte. »Warte mal, ich möchte noch jemand zu diesem Gespräch hinzuziehen.«
In Bernis Abwesenheit sah ich mich in seinem makellos aufgeräumten Dienstzimmer um, das fast genauso nüchtern wirkte wie mein eigenes. In einer der Ecken stand ein Regal mit ein paar Schriftrollen: Gesetzestexte. Daneben hing ein kleines Porträt der Königin von Boscobel, Dorothea. Und die Wand in meinem Rücken füllte eine auf Leinwand gezeichnete Wandkarte aus, die Kap Querna bis in die kleinsten Einzelheiten zeigte. Durch das Fenster konnte ich über die Dächer hinweg die Mastspitzen der Schiffe erkennen, die im Hafen vor Anker lagen. In dieser Höhe roch die Luft, die der leichte Wind herübertrug, frisch und sauber und nur ganz leicht nach Seetang.
Berni war mittlerweile für die ganze Hafenstadt zuständig und schien sie gut im Griff zu haben. Zumindest hatte er die Schnorrer, Bettler und anderes Gesindel, das einem unlauteren Gewerbe nachging, von den Straßen vertrieben, und das hatte das städtische Leben merklich verbessert. Unter Berni hatte ich erstmals drei Monate lang bei den Gefechten mit den Fallenstellern gedient; das war vor fünfzehn Jahren gewesen, in der Zeit zwischen meinem Aufbruch von Arentia und meiner Begegnung mit Kathi Dumont. Wie die meisten Berufssoldaten verachtete er Söldner wie mich, doch nachdem er die anfängliche Abneigung
überwunden hatte, entdeckten wir, dass wir ähnliche Ansichten über Frauen, Geld, Politik und unsere Arbeit hatten. Als wir das zweite Mal gemeinsam in den Kampf zogen, zwei Jahre nach Kathis Tod, hatten wir beide den Dienstgrad eines Stabshauptmanns und leiteten einen gut vorbereiteten Angriff aus dem Hinterhalt, für den ich Berni den Ruhm einheimsen ließ. Seitdem ich allein arbeitete, schaute ich, wann immer es einzurichten war, in Kap Querna vorbei, und gelegentlich vermittelte mir Berni Aufträge, wie er es auch im Fall der verschwundenen Prinzessin Lila getan hatte. Doch wir hatten uns schon seit drei Jahren nicht mehr gesprochen. Als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, war er noch ein strammer, ruppiger Major im Heeresdienst gewesen, der keines der politischen Spielchen mitmachte, die einem einen höheren Rang einbrachten. Also hatte er sich entweder geändert, was ich eigentlich nicht glaubte, oder aber es hatte ihn jemand gefördert, der erkannt hatte, dass die bekanntermaßen bestechliche zivile Ordnungsmacht in Kap Querna dringend einen so rechtschaffenen Mann wie Berni an ihrer Spitze brauchte. Jedenfalls war ich fest davon überzeugt, dass Berni sich unter der sauber rasierten, glatten, gepflegten Fassade die unerbittliche Redlichkeit bewahrt hatte.
Als er zu mir
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