Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schwert des Liktors

Das Schwert des Liktors

Titel: Das Schwert des Liktors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
Vom Netzwerk:
weit südlich des Stadtkerns, den die meisten besuchen – ja so weit flußabwärts, daß die meisten glauben, dort sei die Stadt schon zu Ende –, eine alte Festung. Alle außer dem Autarchen selbst vielleicht – dessen Geist in tausend Nachfolgern weiterleben möge – haben sie längst vergessen, und angeblich spukt es dort. Sie steht auf einem Hügel über dem Gyoll, wie mein Onkel sagt, überblickt ein altes Gräberfeld und bewacht nichts.«
    Sie hielt inne und zeichnete mit den Händen den Hügel mit seiner Feste in die Luft. Ich bekam den Eindruck, daß sie diese Geschichte schon oft erzählt hatte – ihren Kindern vielleicht. Wie mir nun auffiel, war sie tatsächlich alt genug für eigene Kinder; Kinder, die ihrerseits alt genug wären, solchen und vielen anderen Geschichten zu lauschen. Die Jahre waren spurlos an ihrem glatten, empfindsamen Gesicht vorübergegangen; aber die Fackel der Jugend, die noch so strahlend in Dorcas brannte und deren lauteres, unirdisches Licht sogar Jolenta umspielt hatte, die so streng und hell hinter der starken Thecla geschienen und die nebligen Pfade der Nekropolis erleuchtet hatte, als ihre Schwester Thea neben dem Grab Vodalus’ Pistole entgegennahm, war in ihr längst erloschen, so daß nicht einmal mehr ein Schimmer ihrer Flamme zurückblieb. Sie dauerte mich.
    »Du wirst wissen, daß die frühere Rasse zu den Sternen gelangte und daß sie ihre unbändige Hälfte verschacherten, um sich das zu ermöglichen, so daß sie nichts mehr übrig hatten für den Geschmack des bleichen Windes, für Liebe und Lust, für das Ersinnen neuer Lieder und für das Singen alter, für die anderen Kreaturen, die sie ihrer Meinung nach aus den Regenwäldern am Grunde der Zeit mitgebracht hatten – obwohl diese, wie mein Onkel sagte, eigentlich sie mitgebracht hatten. Und du weißt oder solltest zumindest wissen, daß diese, denen sie das verkauften – welche die Geschöpfe ihrer Hände waren –, sie von Herzen haßten. Und Herzen hatten sie wahrhaftig, wenngleich die Menschen, die sie geschaffen hatten, nie damit rechneten. Jedenfalls waren sie entschlossen, ihre Schöpfer zu vernichten, und taten das, indem sie alles, was ihnen vor langer Zeit überlassen worden war, zurückgaben, während die Menschheit auf tausend Sonnen verstreut war.
    Soviel solltest du wenigstens wissen. Mein Onkel erzählte mir einst, was ich dir nun erzähle. Er fand all das und mehr in einem Buch seiner Sammlung – einem Buch, das seit einer Chiliade, wie er glaubte, keiner mehr geöffnet hatte.
    Aber wie sie das, was sie machten, taten, das ist weniger gut bekannt. Ich weiß noch, wie ich mir als Kind die bösen Maschinen grabend vorgestellt habe; sie graben bei Nacht, bis sie das Wurzelwerk der alten Bäume entfernt und eine eiserne Truhe freigelegt haben, die sie vergraben haben, als die Erde noch sehr jung gewesen ist; und haben sie erst das Schloß dieser Truhe aufgebrochen, fliegen daraus wie schwärmende goldene Bienen all die Dinge, von denen wir gesprochen, hervor. Das ist zwar albern, aber ich kann mir noch immer nicht erklären, wie diese denkenden Maschinen eigentlich ausgesehen haben sollen.«
    Ich dachte an Jonas, der anstelle der Haut an den Lenden ein leichtes, glänzendes Metall gehabt hatte, aber ich konnte mir Jonas nicht als einen solchen vorstellen, der eine Plage über die Menschheit bringen wollte, also schüttelte ich den Kopf.
    »Aber im Buch meines Onkels wurde, wie er sagte, offengelegt, was sie taten. Die Dinge, die sie freisetzten, waren keine Insektenschwärme, sondern ein Strom verschiedenster Artefakte, die dazu gedacht waren, all jene Gedanken wiederzubeleben, welche das Volk abgelegt hatte, weil sie sich nicht in Zahlen ausdrücken ließen. Alle Konstruktionsmaßnahmen – vom Bau ganzer Städte bis zum Gestalten eines Schneebesens – lagen in der Hand der Maschinen, und nach tausend Lebensaltern, in denen sie Städte wie große Mechanismen gebaut hatten, bauten sie nunmehr Städte wie Wolkenbänke vor einem Sturm und andere wie Drachenskelette.«
    »Wann war das?« erkundigte ich mich.
    »Vor sehr langer Zeit – lange vor der Grundsteinlegung von Nessus.«
    Ich hatte meinen Arm um ihre Schulter geschlungen, und sie ließ nun ihre Hand in meinen Schoß gleiten; ich spürte ihre Wärme und ihr tastendes Suchen.
    »Und in allem, was sie taten, folgten sie dem gleichen Prinzip. Bei der Gestaltung von Möbeln, zum Beispiel, und beim Entwerfen von Kleidern. Und weil die Führer,

Weitere Kostenlose Bücher