Das Schwert des Liktors
erhoben, begaben wir uns zu einem silbernen Becken mit fließendem Wasser, um uns zu waschen. Dort waren zwei Frauen, die sich wie wir geliebt hatten, und sie beäugten und verlachten uns; aber als sie sahen, daß ich sie nicht verschonen würde, weil sie Frauen seien, flohen sie kreischend.
Sodann reinigten wir uns gegenseitig. Bestimmt dachte Cyriaca, ich verließe sie nun, wie auch ich glaubte, sie ginge nun von mir; jedoch trennten wir uns nicht (was vielleicht besser gewesen wäre), sondern schritten ins stille Gärtchen hinaus, wo wir an einem einsamen Springbrunnen innehielten.
Sie hielt meine Hand und ich die ihre wie zwei Kinder. »Bist du je im Haus Absolut gewesen?« fragte sie mich. Sie betrachtete unser Spiegelbild im mondbeschienenen Wasser, und ihre Stimme war so leise, daß ich sie kaum vernehmen konnte.
Ich bejahte, und bei meinen Worten wurde ihr Griff um meine Hand fester.
»Bist du dort am Orchideenborn gewesen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Auch ich bin schon im Haus Absolut gewesen, hab’ aber den Orchideenborn nicht gesehn. Man sagt, wenn der Autarch eine Gemahlin hat – was beim unsrigen nicht der Fall ist –, hält sie dort am schönsten Platz der Welt hof. Selbst jetzt dürfen nur die Allerlieblichsten diesen Ort betreten. Als ich mich dort aufhielt, wohnten mein Gatte und ich in einem gewissen kleinen Zimmer, das unserem waffentragenden Stande angemessen war. Eines Abends, als mein Gemahl ausgegangen war und ich nicht wußte wohin, begab ich mich auf den Korridor; während ich mich dort umsah, kam ein hoher Würdenträger des Hofes vorüber. Ich kannte weder seinen Namen noch sein Amt, aber ich hielt ihn auf und fragte, ob ich zum Orchideenborn gehen dürfe.«
Sie hielt inne. Binnen dreier oder vierer Augenblicke war kein Laut bis auf die Musik aus den Pavillons und das Plätschern des Brunnens zu hören.
»Und er blieb stehen und betrachtete mich etwas erstaunt, wie mir schien. Du kannst dir nicht vorstellen, was für ein Gefühl es ist, eine kleine Waffenträgerin aus dem Norden zu sein, in einem Gewand, das von den eigenen Zofen genäht worden ist, und mit ländlichem Schmuck – und von jemand gemustert zu werden, der all sein Lebtag unter den Beglückten des Hauses Absolut zugebracht hat. Dann lächelte er.«
Sie drückte meine Hand nun sehr fest.
»Und er erklärte mir den Weg. Durch den und den Korridor, abbiegen bei der und der Statue, eine gewisse Treppe hinauf und einem elfenbeinernen Weg folgen. O Severian, mein Geliebter!«
Ihr Antlitz strahlte schier wie der Mond. Ich wußte, der Augenblick, den sie schilderte, war die Krönung ihres Lebens gewesen; ich wußte auch, daß sie die Liebe, die ich ihr gegeben hatte, zum Teil – und zum größten Teil vielleicht – deswegen hochschätzte, weil sie sie an diesen Moment erinnerte, als ihre Schönheit von jemand, dem ihrer Meinung nach darüber zu urteilen gebührte, abgewägt worden und nicht als unbefriedigend befunden worden war. Mein Verstand sagte mir, ich sollte daran Anstoß nehmen, aber ich konnte keinen Unmut darüber in mir finden.
»Er entfernte sich, und ich machte mich auf den Weg, den er mir beschrieben hatte … Nach gut zwei oder vier Dutzend Schritten begegnete ich meinem Herrn, der mich in unser Zimmerchen zurückkehren hieß.«
»Ich verstehe«, sagte ich und rückte mein Schwert zurecht.
»Wohl schon. Ist es denn verkehrt von mir, ihn so zu betrügen? Was meinst du?«
»Ich bin kein Magistrat.«
»Alle urteilen über mich … alle meine Freunde … alle meine Liebhaber, wovon du weder der erste noch der letzte bist; sogar die Damen im Kaldarium vorhin.«
»Uns ist von Kindheit an beigebracht worden, nicht zu urteilen, sondern die Sprüche zu vollstrecken, die uns von den Gerichten der Republik übermittelt werden. Ich werd’ mir weder über dich noch über ihn ein Urteil erlauben.«
»Ich urteile«, erwiderte sie und kehrte das Gesicht dem hellen, harten Licht der Sterne zu. Zum ersten Mal, seitdem ich sie im gefüllten Ballsaal erspäht hatte, verstand ich, wie ich sie mit einer Nonne des Ordens, dessen Tracht sie trug, hatte verwechseln können. »Oder zumindest rede ich mir ein zu urteilen. Und ich befinde mich als schuldig, aber kann nicht damit aufhören. Ich glaube, Männer wie dich einfach anzuziehen. Fühltest du dich angezogen? Es waren schönere Damen als ich anwesend, das weiß ich.«
»Ich bin mir nicht sicher«, entgegnete ich. »Als wir hierher nach Thrax unterwegs waren
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