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Das Schwert des Liktors

Das Schwert des Liktors

Titel: Das Schwert des Liktors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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Begegnung sagen würden. Denn es drang nun in die Lichtung ein garstiger Laut – der schrecklichste auf der Welt von Urth, sagen diejenigen, die gelauscht haben, wovon so wenige überlebt haben, daß es dafür keinen Namen gibt; er gleiche aber dem Summen von Bienen und den Tönen einer Katze, wäre die Katze größer als eine Kuh, und auch dem Geräusch, das ein Bauchredner zunächst hervorzubringen lerne, einem Brummen in der Kehle, das gleichzeitig von überall zu kommen scheine. Es ist das Lied gewesen, das ein Smilodon anstimmt, hat er seine Beute angeschlichen, das Lied, das sogar Mastodonten so in Furcht versetzt, daß sie oft in die falsche Richtung anrennen und so von hinten niedergestreckt werden.
    Gewiß kennt der Pancreator alle Geheimnisse. Er sprach das lange Wort, das unser Universum ist, und wenige Dinge geschehen, die nicht Teil dieses Wortes sind. Durch seine Fügung also erhob sich ein runder Hügel nicht weit vom Feuer, worin in grauer Vorzeit ein Grab gewesen war; und obgleich der Holzfäller und sein Weib nichts davon ahnten, hatten zwei Wölfe dort ihr Heim errichtet in diesem Haus mit niedrigem Dach und dicken Mauern, mit Gängen, die grüne Lampen erleuchteten, die zwischen den verfallenen Gedenksteinen und zerbrochenen Urnen hingen, einem Haus also, wie Wölfe es lieben. Dort kauerte der Wolf und leckte am Schenkelknochen eines Coryphodons, während die Wölfin, sein Weib, ihren Jungen die Brust gab.
    In der Nähe vernahmen sie das Lied des Smilodons und verfluchten ihn in der Grauen Sprache, wie sie die Wölfe beherrschen, denn kein anständiges Raubtier jagt in der Nähe des Heims anderer Räuber, und Wölfe stehen mit dem Mond auf gutem Fuß.
    Als der Fluch ausgesprochen war, sagte die Wölfin: »Was für eine Beute kann das sein, die der Schlachter, dieser dumme Jäger von Flußpferden, gefunden hat, wenn du, o mein Gemahl, der du die Eidechsen witterst, die über den Fels des Berges jenseits der Urth hüpfen, dich damit begnügen mußt, an einem völlig trockenen Knochen zu beißen?«
    »Ich verspeise kein Aas«, antwortete der Wolf knapp. »Ich ziehe auch keine Würmer aus dem taufeuchten Gras oder fische in Tümpeln nach Fröschen.«
    »Es singt aber auch der Schlachter sein Lied nicht für diese«, versetzte sein Weib.
    Sodann hob der Wolf die Ohren und schnupperte. »Er jagt den Sohn von Meschia und die Tochter von Meschiane, und du weißt, von solchem Fleisch kommt nichts Gutes.« Hierbei nickte sein Weib, denn sie wußte, als einzige unter den Lebewesen töten die Söhne von Meschia alle, wenn einer der Ihren erschlagen wird. Das ist deshalb so, weil der Pancreator ihnen Urth gegeben hat, sie aber die Gabe abgewiesen haben.
    Kaum hatte er sein Lied beendet, brüllte der Schlachter, als wollte er das Laub von den Bäumen schütteln; dann schrie er auf, denn die Flüche der Wölfe sind mächtig, solange der Mond scheint.
    »Wie ist er zu Schaden gekommen?« fragte die Wölfin, die einer ihrer Töchter das Gesicht leckte.
    Der Wolf schnupperte abermals. »Verbranntes Fleisch! Er ist in ihr Feuer gesprungen.« Er und sein Weib lachten, wie Wölfe lachen: still, alle Zähne zeigend. Ihre Ohren waren aufgerichtet wie Zelte in der Wüste, denn sie lauschten, wie der Schlachter auf Beutefang durchs Dickicht zottelte.
    Nun stand die Tür zum Haus der Wölfe offen, denn wenn einer der Wölfe daheim war, machten sie sich nichts daraus, falls jemand eintrat, und es kamen stets weniger heraus, als hineingegangen waren. Sie war voller Mondlicht gewesen (denn der Mond ist immer ein willkommener Gast im Haus der Wölfe), aber wurde nun dunkel. Ein Kind stand dort, wohl etwas ängstlich ob der Dunkelheit, aber die starke Milch riechend. Der Wolf knurrte, die Wölfin indes rief in ihrer mütterlichen Stimme: »Tritt ein, kleiner Sohn von Meschia! Hier kannst du trinken, hier ist es warm und sauber! Hier sind die helläugigen, schnellfüßigen Spielgefährten, die besten in der ganzen Welt!«
    Als er dies vernahm, trat der Knabe ein, und die Wölfin legte ihre gesättigten Jungen zur Seite und ihn an ihre Brust.
    »Wofür ist eine solche Kreatur gut?« fragte der Wolf.
    Die Wölfin lachte. »Wie kannst du an einem Knochen von der Beute des letzten Mondes lecken und so etwas fragen? Weißt du nicht mehr, wie hier der Krieg gewütet hat und die Heere des Prinz Frühlingswind übers Land gezogen sind? Damals wurden wir von keinem Sohn Meschias gejagt, denn sie jagten sich gegenseitig. Nach ihren

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