Das Schwert des Ostens: Krimi (German Edition)
leid, Lemmy. Noch immer.“
Er konnte es nach wie vor nicht fassen: „Dabei hab’ ich den Arsch sogar mit meinem Gras beliefert! Scheiße, ich möchte echt wissen, was aus diesem Hans-Peter geworden ist!“
Wir rauchten noch einen und hielten uns dabei sogar die Hände. Das war natürlich ein bisschen schwul, aber wann hatte man heutzutage noch die Gelegenheit, mit einem Freund am frühen Nachmittag ein ehrliches Gespräch auch und gerade über das Scheitern zu führen?
Weil Lemmys Motor nun schon mal gut am Laufen war, fütterte ich seine Maschine des Wissens der Welt gleich weiter. Ich redete ihn auf seine schlechte Gesichtsfarbe an und schlug ihm vor, vielleicht mal ins Solarium zu gehen, wenn er schon die frische Luft und die direkte Sonneneinstrahlung mied, zum Beispiel ins Bräunen solange du willst um 8,88. Dann fragte ich: „Was sagst du dazu?“
Er sagte: „Muss ich wirklich?“
„Mir genügt eigentlich, wenn du mir sagen kannst, warum der Laden deiner Meinung nach so einen beschissenen Preis hat.“
Er sagte: „Ich hab’ da leider auch keine Ahnung, Rock, ich kenn’ mich ja in der Solariumszene nicht so gut aus, wie du siehst.“ Dabei deutete er auf seine mehr als weißen Beinchen.
„Aber was ich aus der Neonaziszene weiß, verwenden diese Idioten die doppelte Acht als Symbol für Heil Hitler, weil das H ja der achte Buchstabe im Alphabet ist, capito?“
Ich kombinierte: „Dann ist das also ein Solarium für Neonazis?“
„Möglich.“
„Das sind aber drei Hs im Namen. Warum nicht 8,80?“
„Dann hieße es ja ‚Heil Hitler die Null‘! 8,88 kannst du als ,Heil, Hitler, Heil!‘ lesen. Ich kenn’ mich ja wie gesagt nicht besonders gut aus mit Solarien, aber wäre es eines für kubatreue Kommunisten, dann würde es vielleicht Bräunen solange du willst um 5,63 heißen, das 5,63 steht dann für ‚Eviva Fidel Castro!‘ Nur so zum Beispiel.“
Mein aufrichtiger Dank war ihm sicher, falls er mir noch eine letzte Frage beantworten konnte: „Und was weißt du übers Anal-Bleaching?“
* * *
Willi hatte in letzter Zeit ein wenig die Lust an seinen Schweinereien verloren, die Umsätze waren eingebrochen, die Kosten aber gestiegen. Ich selbst bekam in Nutten bezahlt und in säuselnden Worten, die aneinandergereiht folgenden Satz ergaben: „Irgendwann wird das alles hier dir gehören!“ Willi selbst war ja trotz eines regen und erfüllten Sexuallebens kinderlos geblieben, er hatte einfach nichts im Sack gehabt, und mit den Jahren entwickelte er halt so etwas wie väterliche Gefühle für mich. Aber dieser Satz hörte sich natürlich heute, wo längst die DVD erfunden war und sich wirklich jeder wirklich überall einen herunterholen konnte, nicht mehr so verlockend an wie noch vor dreißig Jahren, als ich das erste Mal in Willis Laden hineingefallen war und Filme zu sehen kriegte, die in der Mitte noch zu brennen anfangen konnten, knapp bevor es richtig heiß zur Sache ging.
Zu den Umsatzrückgängen war in letzter Zeit noch der ganze Ärger mit dem Stoßtrupp „Besorgte Mütter“ hinzugekommen, diesen ausgedörrten Gemüsefresserinnen, die nicht nur Big Bärbel und ihre Gang aus dem Huberpark zu drängen versuchten, sondern mit Willis hoher Filmkunst genauso wenig Freude hatten wie mit den verarbeiteten Tierabfällen von Wurstkönig Rott. Nun werden diese verdammten Mütter Willi das Schwein vorgestern nicht selbst zusammengeschlagen haben. Aber um das Grosny Creditsky nahe dem Huberpark lungerten den ganzen Tag lang jede Menge Typen herum, die man sich gegen ein wenig Bargeld wahlweise für ein paar Stunden Trockenschalenverlegen mieten konnte oder auch mal für einen hinterhältigen Mord, was nur unwesentlich teurer war.
Daran hatte ich auf meiner Fahrt hierher zum Krankenhaus denken müssen, als ich verträumt an Rosis Brief schnupperte, der verdächtig nach Tee roch. Und nach reiflichem Schnuppern und einigen Überlegungen traute ich diesen Spinatwacheln eigentlich alles zu!
Ich parkte mich ein. Dort, wo alle Krankenhäuser ihren Blumenladen hatten, kaufte ich noch einen Strauß Gänseblümchen, sodass ich wie einer aussah, der seine niedergekommene Gattin mitsamt dem Nachwuchs besuchen wollte. Im Lift schauten mich dann alle begeistert an und dachten: So ein netter Papi! Bisschen alt vielleicht, bisschen unrasiert, doch insgesamt sehr lecker.
Aber halt! Was ist denn das für ein befremdlicher Geruch, der ihn gar so penetrant ummantelt? Riecht dieser Papa vielleicht nach
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