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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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fortnimmt, was du von Natur aus schon beherrschst?«
    Dauras schnaubte. »Ich kann mir nun einmal die Augen nicht verbinden. Meine Sinne sind zu gut   – man kann sie mir nicht nehmen. Doch es bleibt gewiss genug, was ich einem Novizen beibringen könnte.«
    »Genau das ist die Frage. Deine Kampfkunst ist großartig, Dauras. Sie ist einzigartig. Aber ich sehe wenig darin, was jemand lernen könnte, der nicht mit deinen Gaben geboren wurde. Vielleicht könntest du ein Lehrer werden. Allerdings hast du niemals die Bereitschaft gezeigt, dich auf den Stand hinabzubegeben, auf dem alle anderen durch diese Welt gehen müssen. Und wie willst du einen Schüler dort abholen und emporheben, wenn du nie lernen wolltest, dich zu ihm hinabzubeugen und ihm die Hand zu reichen?«
    Dauras beugte sich ganz nah zu dem Abt hin. »Jetzt kommen wir zum Kern der Sache. Was Ihr mir in Wahrheit vorwerft, ist, dass ich nicht den Weg gegangen bin, den jeder gewöhnliche Mönch hier im Kloster geht. Doch wie Ihr selbst gesagt habt   – ich bin anders als die anderen. Deswegen musste ich meinem eigenen Weg folgen, dem Weg, der zu meiner Bestimmung führt.
    Wenn mich das so weit von allen anderen entfernt, dass ich kein Lehrer sein kann, meinetwegen. Aber warum bleibe ich ein Novize? Kann ich etwa kein Meister sein, nur weil ich meinem eigenen Weg zur Vollkommenheit folge? Ist der Weg des Schwertes so   … eng?«
    Der Abt winkte seinen Priester heran und reichte ihm auch das Schwert. Dann nahm er einen Holzstab von der Veranda und schritt in den Formengarten. Mit dem Stab schob er den Kies wieder zurecht, der beim Kampf zerwühlt worden war. Er stellte eine Ordnung wieder her, die Dauras nicht wahrnehmen konnte und deren Störung ihm auch nichts bedeutete.
    »Du bist ein Meister mit der Klinge«, erklärte der Abt.»Daran zweifle ich nicht. Und doch kann ich dich nicht zu einem Meister unseres Ordens machen, ohne dass du dich vorher als ein Priester erwiesen hättest. Und dafür   … fehlt dir einfach noch etwas.«
    »Aber was?« Dauras trat auf den Abt zu und packte ihn an der Kutte. »Sprecht es endlich deutlich aus, denn all dieses weise Gerede und die Andeutungen, die habe ich mir lange genug in den Lesungen anhören müssen, zu denen Ihr mich gezwungen habt.«
    Der Abt regte sich nicht in Dauras’ Griff. Er gab nach wie ein hilfloser alter Mann. »Zu erkennen, was dir fehlt, Dauras«, sagte er. »Das ist bereits die Antwort. Du kannst nicht in den Worten der Weisen das finden, was dir fehlt, du musst es selbst erkennen. Und wenn du es erkennst, hast du es gewonnen.«
    »Ausflüchte«, stieß Dauras hervor. »Ihr könnt meinem Schwert nicht mehr ausweichen, schon lange nicht mehr. Aber mit Worten versteht Ihr es sehr gut. Wenn es das ist, worauf es ankommt   …«
    »Dauras   …« Nun war es der Abt, der Dauras am Arm fasste. »Es tut mir leid. Vielleicht liegt es daran, dass du von Anfang an zu gut warst. Dass du den Weg nicht gehen musstest, den andere gehen   – und auf dem sie nicht nur den Weg des Schwertes und die Worte der Weisen lernen, sondern ganz von allein und nebenbei auch etwas über sich selbst.
    Du bist nicht gegangen, du bist geflogen, und womöglich ist gerade das dein Fluch.
    Oder deine Gabe ist Fluch und Segen zugleich. Vielleicht ist deine Art zu sehen genau das, wonach wir alle streben, wohin unsere Ausbildung uns führen soll. Und du hast es von Geburt an als Geschenk erhalten. Du hast gefragt, warum es besser sein soll, wenn mühsam gelernt werden muss, was du von Natur aus beherrschst?«
    »Ja«, sagte Dauras. »Wenn ich bereits beherrsche, wonach ein Meister des Schwertes streben soll, warum wollt Ihr mich dann nicht als Meister anerkennen?«
    »Du hast einmal gesagt, dass du die Welt so wahrnimmst, als würden die Dinge, die uns umgeben, Schatten werfen in deinem Geist. Erinnerst du dich?«
    Dauras nickte. So beschrieb er immer seine Fähigkeit zu sehen .
    »Der Weg des Schwertes lehrt uns aber, dass die körperliche Welt im Gegenteil nur ein Schatten der wahren Welt ist. Was also, wenn du die wahre Welt siehst, so wie wir die körperliche Welt sehen   – aber wenn sie dir erscheint wie ein bloßer Schatten der körperlichen Welt und du Letztere deshalb für die wahre hältst?
    Wenn dir von Geburt an der unverhüllte Blick auf die wahre Welt geschenkt wurde, so fängst du doch nicht mehr damit an, als von dort aus in die trügerische Welt des Körperlichen zu blicken. Dann hätte der Weg des

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