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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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geleistet hatte. Es schien so, als wäre er müde geworden.
    Aber was, wenn noch immer derselbe Wunsch in ihm brannte? Wenn er noch immer nach Anerkennung suchte. Nach Herausforderungen. Wenn er noch immer beweisen wollte, dass niemand über ihm stand und dass er alles tun konnte, was er nur wollte?
    Die Entführung einer Prinzessin bewies womöglich genau das.
    Und es war eine Schwäche, die man ausnutzen konnte.
    Wenn sie Dauras überzeugen konnte, dass die Entführung doch keine so große Sache war und seine Aufmerksamkeit nicht verdiente   … Oder wenn sie ihm einreden konnte, dass eine ganz besondere Herausforderung dort auf ihn wartete, wo sie ihn haben wollte   …

2.10.962 – WESTLICH DES GROSSEN STROMS
    D auras und Aruda lagerten im öden Heideland zwischen Kräutern und Wacholderbäumchen, die der Wind zu den knorrigsten Formen verkrümmt hatte. Die Heide war dem Wetter schutzlos ausgeliefert, und zu dieser Jahreszeit wurden die Nächte schon empfindlich kalt. Als Dauras im Morgengrauen zurückkehrte, war die Prinzessin bereits wach. Zitternd kauerte sie vor der kalten Asche, die vom Feuer des letzten Abends geblieben war, und hatte sich in sämtliche Decken gehüllt, die sie bei sich trugen.
    Dauras warf ihr das Bündel hin, das er in der Nacht gestohlen hatte, aus den türlosen Hütten eines kleinen Weilers: eine derbe Hose, ein zerschlissenes Hemd, einen Mantel, der nichts weiter war als ein grob gewebtes Tuch mit Schnüren, und dazu einen Filzhut, unter den sie ihre Haare stopfen konnte.
    »Was ist das?«, fragte Aruda.
    »Kleidung für Euch«, gab Dauras zurück.
    »Da passt überhaupt nichts zusammen. Es stinkt, und da sind Tiere auf dem Stoff. Das ist die Kleidung von einem Landstreicher.«
    »Von einem Schäfer, nehme ich an«, gab Dauras zurück.
    Sie sah ihn empört an.
    »Wir müssen Euch verkleiden«, erklärte er. »Bevor wir uns irgendwo sehen lassen können. Ich habe einen Plan.«
    Aruda verzog das Gesicht, aber sie gehorchte. Alles in allem, befand Dauras, hielt sich die Prinzessin auf der Flucht besser, als er erwartet hatte. Sie übernachtete im Freien, und sie konnte reiten und mit den Pferden umgehen, die Daurasmehr als einmal am liebsten bis zum Schwarzen Gebirge davongejagt hätte.
    »Es ist viel zu groß!«, beklagte sie sich.
    Dauras rollte ihr die Hosenbeine hoch, schnürte das Hemd fester und krempelte auch die Ärmel auf.
    »Wie kannst du es wagen, zu gucken, während ich mich umkleide?«, protestierte Aruda.
    Dauras grinste. »Ich gucke nicht. Ich bin blind, Gnädigste.«
    »Und du hast einen Plan?«, fragte sie.
    »Nun ja«, sagte Dauras. Ich entwickele einen Plan, während wir uns bewegen. Das klang eigentlich nicht schlecht, befand er. »Wir müssen über den Fluss, unerkannt. So können wir unsere Verfolger erst einmal abschütteln.«
    »Welche Verfolger?«, fragte sie. »Meine Möchtegernbrautführer aus dem Norden hast du hoffentlich gründlich verschreckt. Und mein Vater   …« Sie zuckte die Achseln. »Nun, der hat sich nicht einmal nach mir umgedreht, wenn wir in derselben Jagdgesellschaft ritten.«
    »Ah ja«, erwiderte Dauras abwesend. »Die kaiserlichen Jagdgesellschaften. Davon habe ich gehört.«
    Bei den kaiserlichen Jagden, von denen man im Umkreis der Hauptstadt erzählte, ließ der Kaiser hinter einer nicht einsehbaren Wegbiegung eine Tribüne errichten. Dort nahm er dann mit seinen Getreuen Platz und wartete auf Reisende, um sie mit der Armbrust aufs Korn zu nehmen. Am Ende des Tages verglichen die Höflinge ihre Beute und entschieden, wer am meisten von dem menschlichen Wild zur Strecke gebracht hatte.
    Der Kaiser gewann diesen Wettstreit immer, auch wenn er kein besonders guter Schütze war.
    Arudas Stimme klang belegt. »An diesen Jagden habe ich niemals teilgenommen.«
    Dauras verfluchte sein loses Mundwerk. »Wie dem auchsei«, sagte er. »Irgendjemand ist hinter uns her, so viel ist sicher.«
    »Sagen dir das   … deine besonderen Sinne?«, fragte Aruda.
    Dauras schnaubte. »Hier draußen im offenen Gelände verlasse ich mich auf Eure Augen. Die reichen weiter. Das sagt mir meine Erfahrung, dass eine hohe Dame nicht verschwinden kann, ohne dass jemand nach ihr sucht.«
    Sie brachen auf und ritten wieder nach Osten. Aruda kratzte sich, und gegen Mittag bestand sie auf einem Bad in einem kleinen Teich und darauf, ihre geborgte Kleidung zu waschen. Dauras war das gar nicht recht. Unter dem feuchten Stoff konnte sie sich eine Erkältung holen oder

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