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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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Ohr hauen lassen. Ich habe die Pferde der Ritter mitgenommen. Das waren ausgebildete Schlachtrösser, die waren mindestens 200 wert!«
    Dauras lachte. »Klar, und ich war der Ritter, der sie verkaufen will. Nein, Kindchen   – glaubst du etwa, ich hätte zum edelsten Gestüt gehen und um den Preis feilschen können? Ich musste einen Halunken suchen, der mit gestohlenen Pferden handelt. Der zahlt mir natürlich keinen ritterlichen Preis.«
    »Wir hätten die Pferde behalten sollen«, sagte Aruda bitter.
    »Wir hätten sie niemals über den Fluss bekommen. Nicht in dem Kahn, den ich im Sinn habe.«
    Aruda senkte den Kopf. »Verzeih«, sagte sie. »Ich vergesse zu leicht, dass es meine Schuld ist, dass du überhaupt in dieser Lage steckst.«
    Dauras winkte ab. »Das ist jetzt sieben Tage her. Viel zu unbedeutend, um so lange darüber zu grübeln.«
    Er zeigte ihr den Leim und die anderen Sachen und bat sie, ihn als Greis zurechtzumachen. Sie sollte ihm einen schütteren Bart ankleben, mit der Asche seine Augenbrauen weiß färben und ein paar Linien in seinem Gesicht andeuten.
    Aruda hielt ein Büschel Haare hoch. »Was ist das?«
    »Haare von einer Ziege«, erwiderte Dauras. »Ich hab unterwegs in einem Stall vorbeigeschaut und die längsten Strähnen abgeschnitten.«
    »Ich fürchte, die Ziege war braun gescheckt, und nicht weiß.«
    »Verflucht. Irgendwer hat mir einmal erzählt, Ziegen wären weiß!«
    »Und an den Brauen müssen wir nicht viel tun. Die sind fast schon grau genug.«
    »Bin ich zu alt, hm?«, fragte Dauras.
    Aruda entschuldigte sich erschrocken. Doch Dauras winkte ab. Dennoch hatte sie einen wunden Punkt getroffen, eine Frage, die ihn seit einer Weile beschäftigte: Wie viel Zeit blieb ihm noch? Wie lange konnte ein Schwertkämpfer, selbst der beste, der Beste bleiben? In seiner Jugend hatte Dauras sich gegen das Alter gefeit gefühlt. Er besaß eine göttliche Gabe, und Götter alterten nicht. Inzwischen jedoch verspürte er bei jedem Kampf einen dumpfen Schmerz in den Gliedern. Er konnte ihn missachten   – aber vielleicht war das ein Grund dafür, warum er mittlerweile seltener nach Kämpfen suchte als vor zehn Jahren.
    Mitunter nagte das Gefühl an ihm, dass er die besten Jahre als Kämpfer bereits hinter sich hatte   – die zwanzig Jahre, seit er das Kloster verlassen hatte. Und was hatte er in dieser Zeit erreicht? Am meisten allerdings plagte ihn der Gedanke, dass seine Handgelenke weniger schmerzen würden, hätte er damals nur auf den Abt gehört und sich mehr Mühe mit dem geschmeidigen Kampfstil der Bilder gegeben. Womöglich hätte er nicht jede Parade so hart und eckig abfangen sollen, nur weil er es konnte.
    »Wisst Ihr was«, sagte er. »Sucht einfach die hellsten Haare heraus, und dann klebt mir diesen Ziegenbart an. Wenn er etwas dünner ist, kann mir das nur recht sein.«
    Dauras führte Aruda über die stille Straße am Fluss. Er hielt sie am Arm, denn in der Schwärze wäre sie sonst gestrauchelt oder vom Weg abgekommen.
    Der Mond war eine schmale Sichel, die von Wolkentürmen verschlungen wurde. Ein schwerer Geruch nach Feuchtigkeit und nach faulendem Holz hüllte sie ein. Aruda erschauerte und zog den zerschlissenen Mantel enger um sich. Ihre Zähne schlugen aufeinander. Dauras rückte näher an sie heran und legte seinen Mantel über sie beide.
    »Du frierst nicht«, sagte sie. »Du bist ein Mönch aus dem Tempel in Sir-en-Kreigen, hast du gesagt? Einer von diesen Südländern, die ihren Körper zu einer harten und gefühllosen Waffe machen.«
    »Das erzählt man sich im Palast?«, fragte Dauras. »Na, vielleicht sollte es so sein.«
    »Das erzählt man sich überall«, verkündete die Prinzessin im Brustton der Überzeugung. Dann, eine Weile später: »Warum hast du den Tempel verlassen?«
    »Ich habe den Tempel nicht verlassen. Ich bin auf eine Pilgerreise gegangen.«
    »Ach?« Sie horchte auf. »Zu welchem Heiligtum?«
    »Für die Priester des Schwertes sind Körper und Geist die einzigen Heiligtümer, die man braucht, um das Göttliche zu erreichen. Ich habe meinen Weg an der Welt geprüft, um zu sehen, ob es der richtige ist.«
    »Deinen Weg?«
    »Die südlichen Kulte suchen in der Kampfkunst nach Vollkommenheit«, erklärte Dauras. »Angeblich. Meine Kampfkunst war vollkommener als die der anderen. Dennoch wollten sie mir nicht folgen auf dem Weg, der unbesiegbar macht. Sie wollten lieber so bleiben, wie sie immer gewesen waren.«
    »Du bist unbesiegbar?«
    »Ich

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