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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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Weite. Aber niemand blickte über die Kante des Daches, und niemand war auf ihrer Seite von dem Gebäude heruntergeklettert.
    Meris nahm Anlauf, sprang auf das untere Fensterbrett, dann zog sie sich am nächsten Fensterbrett hinauf, und immer so weiter bis ganz nach oben. Augenblicke später stand sie auf dem flachen Dach, auf dem niemand war. Aber in der nächsten Querstraße hörte sie Lärm und Schreie.
    Meris lief los. Sie sprang über eine Gasse hinweg auf das nächste Dach und sah Dauras in der Gasse unter ihr stehen. Er beugte sich über einen hingestreckten Körper, und Meris konnte aus der Entfernung nicht erkennen, ob er sein Schwert an der Kleidung des Gestürzten abwischte oder ob er wieder und wieder auf ihn einstach.
    Sie fluchte gepresst, stieg hinunter und trat zu Dauras. Sie zog ihre gesiegelte Vollmacht hervor und hielt sie den Leuten unter die Nase, die neugierig näher kamen. »Es ist in Ordnung«, rief sie. »Im Namen des Kaisers   … der Kaiserin. Geht weiter. Behindert nicht unseren Einsatz.«
    Sie blickte auf den leblosen Körper. Der Mann trug unauffällige graue Kleidung. Das Tuch, das er sich vor das Gesicht gebunden hatte und das nur die Augen freiließ, war allerdings ziemlich verräterisch.
    Meris zog es herunter, aber das Antlitz darunter offenbarte ihr nichts.
    »Verdammt.« Sie sah Dauras vorwurfsvoll an. »Er hätte uns lebend mehr verraten können.«
    »Egal«, behauptete Dauras. »Ich weiß, mit wem ich darüber rede. Es hat nichts mit den Dingen zu tun, die du untersuchst.«
    »Woher willst du das wissen?«, fuhr sie ihn an. »Reichen deine blinden Augen nun schon in alle Verbindungen bei Hofe hinein?«
    »Ich glaube, er hat auf mich gezielt«, sagte Dauras. »Nicht auf dich. Nicht auf die Kaiserin. Nicht deine Sache, sondern meine   – ich kümmere mich darum.«
    Dauras stellte den Kanzler am Tor der Kaiserstadt. Arnulf von Meerbergen war gerade unterwegs zur Marktbrücke, in Begleitung seiner Gefolgsleute. Einer der Ritter wollte Dauras aufhalten, als der auf den Kanzler zuging. Der Mann lag am Boden und rang nach Atem, ohne dass irgendwer den Schlag auch nur gesehen hatte, der ihn niederstreckte.
    »Ihr habt immer noch einen Laufburschen bei der Hand, der sich die Finger für Euch schmutzig macht, was?«, fragte Dauras. »Ist es nicht an der Zeit, dass Ihr selbst für Euch einsteht?«
    Der Kanzler sah auf Dauras herab, den er weit überragte. Er hielt seine Begleiter zurück, die nach ihrem Schwert greifen wollten. »Ich könnte sehr wohl für mich selbst einstehen«, sagte er, »wenn ich einen Grund dazu sähe. Aber tatsächlich sind Sie derjenige, der gerade einen meiner Ritter niedergeschlagen hat, und über die Gründe für so ein rüdes Verhalten vermag ich allenfalls zu spekulieren.«
    »Und was ist mit dem Burschen, der eben in der Stadt auf mich geschossen hat?«
    »Was soll mit ihm sein?«, fragte der Kanzler. »Nicht jeder Straßenräuber in Horome steht unter meinem Befehl, wenn es das ist, was Sie mir unterstellen wollen. Im Gegenteil, ich habe mich im Rat oft genug über die Unbotmäßigkeit in dieser Stadt beklagt.«
    »Es war kein Straßenräuber«, sagte Dauras. »Es war ein Attentäter mit Giftpfeilen. Und ich weiß genau, dass Ihr mich aus dem Weg haben wollt. Ich spüre es.«
    »Sie sind nicht vertraut mit der Stadt«, erwiderte der Kanzler ungerührt, während seine Ritter hinter ihm murmelten. »Vielleicht sollten Sie im Palast und an der Seite Ihrer Herrin bleiben, anstatt sich auf der Straße überfallen zu lassen und anderen dafür die Schuld zu geben.«
    »Vielleicht solltet Ihr Euer Schwert ziehen und Euren Streit offen mit mir austragen. Ich habe gehört, dass Ihr selbst ein Schwertkämpfer von Format seid. Nun denn: Ich fordere Euch zum Zweikampf! Habt Ihr so wenig Ehre, dass Ihr Euch davor drückt?«
    Der Kanzler schüttelte den Kopf. Er grinste so breit, das sein fein gestutzter Bart sich dabei kräuselte. »Ein Ritter, der den ehrenvollen Zweikampf ablehnt, hat in der Tat seine Ehre verspielt. Aber du vergisst eines, Mönch: Ich bin ein Graf, kein Ritter, und darum ist es unter meiner Würde, einen Zweikampf anzunehmen. Wir werden die Sache also nach Recht und Gesetz und in aller Form klären.« Er sah Dauras an. »Ich werde den Vorfall vor unsere Dienstherrin bringen.Dann werden wir ja sehen, ob Sie genug vorbringen können, um die Kaiserin davon zu überzeugen, dass Ihre Anschuldigungen zutreffen.«
    Als Dauras die Gemächer der Kaiserin

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