Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
Vom Netzwerk:
Novembertag.
    Wenn ein Weg in eine Sackgasse führt, muss man mitunter umkehren und einen anderen Abzweig wählen, auch wenn man ihn zuvor verworfen hat .
    Sie dachte an den toten Erzkaplan. Bertin von Ebran hatte Selbstmord begangen, und allem Anschein nach stand dieser Vorfall in keinem Zusammenhang mit dem Tod des Kaisers   … wenn da nicht dieser Abschiedsbrief mit seinen Andeutungen wäre.
    Meris beschloss, die Verbindungen des Erzkaplans noch einmal zu überprüfen. Sie erhob sich, ging zum Haupttor und verließ die kaiserliche Stadt.
    Das Tempelhospital lag auf der südlichen Seite des Tempelplatzes. Meris ging an der großen Kathedrale vorüber und sah schuldbewusst auf das riesige dreieckige Gebäude, dassich zur einen Kante hin wie ein Keil gen Himmel hob. Die glitzernde Kuppel ragte darüber auf. Beim letzten Mal, als sie hier gewesen war, war das Bauwerk in Regen und Dunkelheit getaucht gewesen. Jetzt blickte Bponurs Auge strahlend vom Firmament herab, und Meris fröstelte bei dem Gedanken, dass er sie und ihre Taten sehen könnte.
    Sie zog den Kopf ein und huschte über den Platz, auf das weitläufige graue Hospital zu. Das Hauptgebäude lag mit der Schmalseite zum Platz hin, das Portal darin war von Säulen flankiert. Unter dem Dachfirst verlief ein Relief, auf dem eine unübersehbare Masse von Ungeheuern, Geistern und Dämonen wild durcheinander wimmelte. Gewaltige Recken mit Helm und strahlendem Sonnenschild ragten darüber hinaus, die Paladine Bponurs, die die Übel Gotors unter ihren schweren Stiefeln zermalmten.
    Meris warf einen kurzen Blick hinauf und fragte sich, wie viele der Kranken, die durch dieses Tor schritten, wohl unweigerlich daran dachten, dass dann und wann eines der Übel dem Getümmel unbemerkt entkommen musste, und wie schnell es dann von den Reliefs an der Front des Gebäudes gleich in das Haus der Heilung kriechen konnte.Schritte und Stimmen hallten in dem Saal wieder. Treppen und Türen im hinteren Teil führten in die anderen Trakte des Gebäudes. Meris erkundigte sich nach einem Bruder Havad und ließ sich von einer Novizin durch das Haus geleiten.
    Vom Kammerdiener des Erzkaplans hatte sie erfahren, dass dieser im Laufe des letzten Jahres viele Heiler aus dem Hospital empfangen hatte. Das waren ungewohnte und neue Freundschaften, und Havad war unter ihnen der häufigste Besucher gewesen. Er war der erste Zeuge außerhalb des Palastes, den Meris befragen wollte.
    Die Novizin zeigte ihr drei Heiler und Helfer, die auf den Namen Havad hörten. Keiner von ihnen hatte je mit demErzkaplan gesprochen, und keiner passte zu der Beschreibung, die Meris vom Kammerdiener erhalten hatte. Zuletzt führte die Novizin sie aus einem Seitenflügel des Hospitals hinaus und auf einen kleineren, gedrungenen Bau zu, der ringsum von hohen Hecken umschlossen war. Diesen Teil des Tempelhospitals hatte Meris noch nie zuvor gesehen.
    »Was ist das für ein Haus?«
    »Das Haus der verlorenen Geister«, antwortete die Novizin. Sie wirkte beklommen. »Dort kümmern wir uns um jene, deren Krankheit nicht den Leib befallen hat, sondern die an der Seele selbst Schaden genommen haben.«
    Meris wusste, was das bedeutete. Wahnsinn und Besessenheit .
    Sie fröstelte, und über dem abgeschiedenen Bauwerk schien mit einem Mal sogar die Sonne matter zu scheinen. Sie gelangten zu einer kleinen schweren Pforte, die verschlossen war. Auf ihr Klopfen hin öffnete ein Bruder.
    Der Pförtner brachte Meris zu einem hellen Kontor im Obergeschoss. Ein Tisch, mehrere Stühle, geistliche Schriften, keinerlei persönlicher Anstrich   – es war ein Raum, in dem Besucher empfangen wurden, kein Ort, wo einer der Heiler tatsächlich arbeitete.
    Als schließlich ein Priester mittleren Alters mit braunen Haaren und in einer gelben Robe mit rotem Saum den Raum betrat, erkannte Meris sofort, dass sie den richtigen Mann vor sich hatte. Sie ging auf ihn zu.
    »Bruder Havad«, sagte sie. »Ich muss mit Euch über den Erzkaplan sprechen.«
    Sie sah, wie der Mann zusammenzuckte, dann rang er sich ein Lächeln ab. Er bot ihr einen Platz auf einem der Stühle an.
    »Wir bedauern seinen Tod sehr. Er hat wirklich alles getan für die Sache der Kirche bei Hofe.«
    »Tatsächlich? Ich habe eher gehört, er hat ein munteres Leben geführt und wurde öfter bei den Bällen unter den Fürsten gesehen als in seiner Kapelle oder an der Seite des Kaisers.«
    Havad starrte sie erschrocken an. Er rang sichtlich um Fassung. »Aber   … Ihr könnt  

Weitere Kostenlose Bücher