Das Schwert in Der Stille
Mädchen, weil sie linkshändig und ungeschickt war, wie den Gestank der Wachstube am Tor, die steilen Treppen, die so schwer zu erklimmen waren, wenn man etwas trug… Und sie trug immer etwas: Schüsseln mit kaltem Wasser, Kessel mit heißem Wasser, Essen, das sich die immer hungrigen Männer in den Mund stopften, Sachen, die sie vergessen hatten oder aus Faulheit nicht selbst holen wollten. Kaede hasste auch das Schloss, die mächtigen Steine der Fundamente, die dunkle Schwere der oberen Räume, wo die verbogenen Dachsparren ihre Gefühle widerzuspiegeln schienen: Auch sie wollten der verzerrten Darstellung entfliehen, in der sie gefangen waren, und in den Wald zurückkehren, aus dem sie kamen.
Und die Männer. Wie Kaede die Männer hasste! Mit jedem Jahr wurde sie häufiger von ihnen belästigt. Die Dienstmädchen in ihrem Alter wetteiferten um die Aufmerksamkeit der Soldaten. Sie umschmeichelten und verhätschelten sie, redeten mit kindlicher Stimme, taten, als wären sie hilfsbedürftig, sogar einfältig, um sich den Schutz des einen oder anderen Mannes zu verschaffen. Kaede verübelte es ihnen nicht - sie war zu dem Schluss gekommen, dass alle Frauen alle ihre Waffen einsetzen sollten, um sich in dem offensichtlichen Kampf des Lebens zu verteidigen -, aber sie würde sich dem nicht beugen. Sie konnte es nicht. Ihr einziger Wert, ihre einzige Möglichkeit zur Flucht aus dem Schloss lag in der Heirat mit einem ihrer eigenen Klasse. Wenn sie sich diese Chance verdarb, war sie so gut wie tot.
Sie wusste, dass sie diesen Zudringlichkeiten nicht ausgesetzt sein sollte. Das Beste wäre, zu jemandem zu gehen und sich zu beklagen. Natürlich war es undenkbar, Lord Noguchi anzusprechen; aber vielleicht könnte sie mit der Lady reden. Nach reiflicher Überlegung erschien es Kaede unwahrscheinlich, dass ihr auch nur der Zugang zu Lady Noguchi gestattet würde. In Wahrheit gab es niemanden, an den sie sich wenden konnte. Sie würde sich selbst beschützen müssen. Aber die Männer waren so kräftig. Kaede war groß für ein Mädchen - zu groß, sagten die anderen Mädchen schadenfroh - und nicht schwach; dafür sorgte die harte Arbeit. Aber ein- oder zweimal hatte ein Mann sie spielerisch gepackt und nur mit einer Hand festgehalten, und sie hatte nicht fliehen können. Bei der Erinnerung daran schauderte sie vor Furcht.
Und mit jedem Monat wurde es schwieriger, den Männern nicht aufzufallen. Als Kaede fünfzehn war, spät im achten Monat, brachte ein Taifun im Westen Tage mit schweren Regenfällen. Sie hasste den Regen, der alles nach Moder und Feuchtigkeit riechen ließ, und sie hasste es, wie die engen nassen Kleider an ihr klebten, wie sie jede Kurve von Rücken und Schenkeln zeigten, so dass die Männer noch mehr hinter ihr herriefen.
»He, Kaede, kleine Schwester!«, schrie ein Wachtposten, als sie aus der Küche durch den Regen rannte und am zweiten Wachturm vorbeilief. »Nicht so schnell! Ich habe einen Auftrag für dich! Sag Hauptmann Arai, er soll herunterkommen. Verstanden? Seine Lordschaft will, dass er sich ein neues Pferd anschaut.«
Der Regen strömte wie ein Fluss von den Zinnen, den Ziegeln, den Abflüssen, von den Delfinen, die jedes Dach als Schutz vor dem Feuer krönten. Das ganze Schloss spuckte Wasser. Innerhalb von Sekunden war Kaede tropfnass, in ihren durchweichten Sandalen rutschte und stolperte sie auf den Kopfsteinstufen. Doch sie gehorchte ohne viel Widerwillen, weil von allen im Schloss Arai die einzige Person war, die sie nicht hasste. Er war immer höflich zu ihr, er neckte und belästigte sie nicht; Kaede wusste, dass seine Ländereien neben denen ihres Vaters lagen; er hatte denselben leichten Akzent des Westens.
»He, Kaede!« Der Wachtposten grinste anzüglich, als sie den Hauptturm betrat. »Immer rennst du irgendwohin! Bleib stehen und plaudere mit mir!«
Als sie ihn nicht beachtete und die Treppe hinaufging, schrie er ihr nach: »Sie sagen, dass du in Wirklichkeit ein Junge bist! Komm her und zeig mir, dass du kein Junge bist!«
»Idiot!«, murmelte sie. Die Beine taten ihr weh, als sie die zweite Treppe erklomm.
Die Wachmänner im oberen Geschoss waren gerade bei einer Art Glücksspiel mit einem Messer. Arai stand auf, sobald er sie sah, und begrüßte sie mit ihrem Namen.
»Lady Shirakawa.« Er war ein großer, eindrucksvoller Mann und hatte intelligente Augen. Kaede richtete ihm die Botschaft aus. Er dankte ihr, sah einen Augenblick lang aus, als wollte er noch etwas
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