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Das Schwert in Der Stille

Das Schwert in Der Stille

Titel: Das Schwert in Der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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Bewunderung der Frauen stärkten ihr Selbstvertrauen ein wenig, doch es wurde wieder erschüttert, als sie Junko in den Hauptteil des Wohnsitzes folgte. Seit dem letzten Besuch ihres Vaters hatte sie Lord Noguchi nur aus der Ferne gesehen. Sie hatte ihn nie gemocht, und jetzt wurde ihr klar, dass sie sich vor der Begegnung fürchtete.
    Junko fiel auf die Knie, schob die Tür zum Audienzzimmer auf und warf sich zu Boden. Kaede trat in den Raum und machte das Gleiche. Die Matte war kühl unter ihrer Stirn und duftete nach Sommergras.
    Lord Noguchi redete mit jemandem im Zimmer und achtete gar nicht auf sie. Er schien über die Reisabgabe zu sprechen, die ihm die Bauern nicht rechtzeitig geliefert hatten. Schon stand die nächste Ernte bevor, und immer noch schuldeten sie ihm einen Teil des letzten Ertrags. Hin und wieder flocht die Person, mit der er sprach, demütig eine beschwichtigende Bemerkung ein - das ungünstige Wetter, das Erdbeben im vergangenen Jahr, die bevorstehende Taifunzeit, die Ergebenheit der Bauern, die Treue der Gefolgsleute -, dann ächzte der Lord, schwieg eine Minute oder länger und fing dann wieder an, sich zu beschweren.
    Schließlich verstummte er zum letzten Mal. Der Sekretär hustete ein- oder zweimal. Lord Noguchi bellte einen Befehl, und der Sekretär rutschte kniend rückwärts zur Tür.
    Er kam dicht an Kaede vorbei, aber sie wagte nicht den Kopf zu heben.
    »Und ruf Arai«, sagte Lord Noguchi, als wäre es ihm gerade eingefallen.
    Jetzt wird er mit mir reden, dachte Kaede. Aber er sagte nichts und sie blieb regungslos, wo sie war.
    Die Minuten verstrichen. Sie hörte, wie ein Mann den Raum betrat, und sah, dass Arai sich neben ihr niederwarf. Lord Noguchi nahm auch ihn nicht zur Kenntnis. Er klatschte in die Hände und mehrere Männer eilten ins Zimmer. Kaede spürte, wie einer nach dem anderen an ihr vorbeiging. Ein Seitenblick sagte ihr, dass es ältere Gefolgsleute waren. Einige trugen das Noguchiwappen auf ihren Gewändern, andere das dreifache Eichenblatt der Tohan. Es kam ihr vor, als hätten die Männer sie am liebsten zertreten wie eine Küchenschabe. Nie würde sie sich von den Tohan oder den Noguchi vernichten lassen!
    Die Krieger ließen sich schwerfällig auf den Matten nieder.
    »Lady Shirakawa«, sagte Lord Noguchi schließlich. »Bitte setzen Sie sich auf.«
    Als sie gehorchte, spürte sie den Blick jedes Mannes im Raum auf sich. Eine Spannung, die sie nicht verstand, machte sich breit.
    »Kusine«, sagte der Lord leicht überrascht, »ich hoffe, es geht Ihnen gut.«
    »Ja, dank Ihrer Fürsorge«, antwortete sie mit der höflichen Redewendung, obwohl die Worte ihr wie Gift auf der Zunge brannten. Sie fühlte sich ungeheuer verletzlich hier als einzige Frau, kaum mehr als ein Kind, unter mächtigen und brutalen Männern. Unter den Wimpern warf sie einen schnellen Blick auf den Lord. Sein Gesicht kam ihr verdrießlich vor, ohne Kraft und Intelligenz, es zeigte die Bosheit, die sie bereits von ihm kannte.
    »Heute Morgen gab es einen unglücklichen Vorfall«, sagte Lord Noguchi. Die Stille im Raum vertiefte sich. »Arai hat mir gesagt, was geschehen ist. Ich möchte Ihre Darstellung hören.«
    Kaede berührte mit dem Kopf den Boden, ihre Bewegungen waren langsam, während ihre Gedanken rasten. In diesem Augenblick hatte sie Arai in ihrer Gewalt. Und Lord Noguchi hatte ihn nicht Hauptmann genannt, wie es sich gehörte. Er hatte ihm keinen Titel gegeben, ihm keine Höflichkeit erwiesen. Zog er bereits Arais Loyalität in Zweifel? Kannte er schon die wahrheitsgemäße Beschreibung der Ereignisse? Hatte einer der Wachmänner Arai verraten? Geriet sie in eine Falle, die ihnen beiden gestellt worden war, wenn sie ihn verteidigte?
    Arai war der einzige Mensch im Schloss, der sie gut behandelt hatte. Sie würde ihn jetzt nicht verraten. Kaede setzte sich auf und sprach, während sie die Augen gesenkt hielt, mit ruhiger Stimme. »Ich ging mit einer Nachricht für Lord Arai zum oberen Wachraum. Dann folgte ich ihm die Treppe hinunter: Er wurde im Stall erwartet. Der Wachtposten am Tor hielt mich unter einem Vorwand auf. Als ich zu ihm ging, packte er mich.« Sie ließ die Ärmel zurückfallen. Die Prellungen zeigten sich bereits, auf ihrer blassen Haut war der violette Abdruck von Männerfingern. »Ich habe geschrien. Lord Arai hörte mich, kam zurück und rettete mich.« Sie verneigte sich wieder und war sich ihrer Anmut bewusst. »Ich stehe in seiner und meines Herrn Schuld für

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