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Das Schwert in Der Stille

Das Schwert in Der Stille

Titel: Das Schwert in Der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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Totenfestes in Yamagata erforderte. Zwischen den beiden Clans herrschte wenig Sympathie; die Atmosphäre wurde gespannt und gezwungen. Die Tohanmänner waren arrogant und großspurig. Sie ließen uns Otori spüren, dass wir minderwertig waren und als Bittsteller kamen, nicht als Gleichberechtigte. Ich kochte vor Zorn an Shigerus Stelle, aber er schien unberührt, blieb so höflich wie sonst und wirkte nur etwas weniger fröhlich.
    Ich war so still wie in den Tagen, in denen ich nicht sprechen konnte. Ich horchte auf Gesprächsfetzen, die wie Strohhalme die Windrichtung angeben würden. Doch im Tohanland waren die Leute schweigsam und verschlossen. Sie wussten, dass überall Spione waren und die Wände Ohren hatten. Selbst wenn die Tohanmänner sich abends betranken, machten sie es leise, ganz anders als die lauten, vergnügten Otori.
    Seit dem Massaker von Mino war ich dem dreifachen Eichenblatt nicht mehr so nahe gewesen. Ich hielt die Augen gesenkt und das Gesicht abgewandt aus Angst, einer der Männer, die mein Dorf angezündet und meine Familie ermordet hatten, könnte mir begegnen oder mich erkennen. Ich benutzte meinen Deckmantel als Künstler und holte oft meine Pinsel und den Tuschstein hervor. Ich entfernte mich von meinem wahren Wesen und wurde eine sanfte, empfindsame, scheue Person, die kaum etwas sagte und im Hintergrund blieb. Der Einzige, mit dem ich sprach, war mein Lehrer. Kenji war so schüchtern und unauffällig geworden wie ich. Gelegentlich unterhielten wir uns leise über Kalligraphie oder den Stil der Malerei auf dem Festland. Die Tohan verachteten und übersahen uns.
    Der Aufenthalt in Tsuwano wurde für mich wie die Erinnerung an einen Traum. Hatte der Schwertkampf wirklich stattgefunden? Waren Kaede und ich von Liebe erfasst und entflammt worden? In den nächsten Tagen sah ich sie kaum. Die Ladys wohnten in einem anderen Haus und nahmen ihre Mahlzeiten unter sich ein. Es war nicht schwer, so zu tun, als existierten sie nicht, ich sagte mir, dass ich mich so verhalten müsse, aber wenn ich Kaedes Stimme hörte, raste mein Herz, und in der Nacht brannte ihr Bild hinter meinen Augen. War ich verzaubert worden?
    Am ersten Abend übersah mich Abe, aber am zweiten nach der Mahlzeit, als der Wein ihn streitlustig gemacht hatte, starrte er mich lange an und fragte dann Shigeru: »Dieser Junge - ein Verwandter, nehme ich an?«
    »Der Sohn eines entfernten Verwandten meiner Mutter«, antwortete Shigeru. »Er ist der Zweitälteste einer großen Familie, alle Geschwister sind jetzt Waisen. Meine Mutter hatte ihn immer adoptieren wollen, und nach ihrem Tod habe ich ihren Wunsch erfüllt.«
    »Und einen Schlappschwanz angenommen.« Abe lachte.
    »Nun, leider, das kann schon sein«, erwiderte Shigeru. »Aber er hat andere nützliche Talente. Er kann schnell rechnen und schreiben und ist als Maler nicht unbegabt.« Sein Ton war geduldig, enttäuscht, als wäre ich ihm lästig, aber ich wusste, dass jede Bemerkung dieser Art mir nur half, meine Rolle zu vervollkommnen. Ich saß mit niedergeschlagenen Augen da und schwieg.
    Abe goss sich mehr Wein ein und trank; dabei betrachtete er mich über den Rand der Schale. Er hatte kleine, tief liegende Augen in einem pockennarbigen, groben Gesicht. »Nicht sehr brauchbar in diesen Zeiten!«
    »Sicher können wir jetzt Frieden erwarten, wo doch unsere beiden Clans ein Bündnis eingehen wollen«, sagte Shigeru ruhig. »Vielleicht kommt es zu einer neuen Blüte der Künste.«
    »Frieden mit den Otori vielleicht. Sie werden kampflos nachgeben. Aber jetzt machen die Seishuu Ärger, dieser Verräter Arai hetzt sie auf.«
    »Arai?«, fragte Shigeru.
    »Ein früherer Vasall von Noguchi. Aus Kumamoto. Seine Ländereien liegen neben denen Ihrer Brautfamilie. Er hat schon das ganze Jahr Krieger zusammengeholt. Vor dem Winter muss er unschädlich gemacht werden.« Abe trank wieder. Schadenfroh verzog er das Gesicht, sein Mund sah jetzt noch grausamer aus. »Arai hat den Mann getötet, der angeblich Lady Shirakawa Gewalt antun wollte, dann war er empört, als Noguchi ihn ins Exil schickte.« Mit der Klarsicht des Betrunkenen schwang er den Kopf in meine Richtung. »Ich wette, du hast noch nie einen Mann getötet, stimmt’s, Junge?«
    »Nein, Lord Abe«, antwortete ich. Er lachte. Ich spürte den brutalen Kerl in ihm gleich unter der Oberfläche und wollte ihn nicht herausfordern.
    »Wie steht es mit dir, Alter?« Abe wandte sich an Kenji, der in seiner Rolle als unbedeutender

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