Das Schwert in Der Stille
Lord Shigeru am Eingang nieder, und ich tat es ihm nach. Abe winkte uns herein, wo wir wieder niederknieten und uns bis zum Boden verbeugten. Ich warf einen Blick auf Iida Sadamu, der am Ende des Saals auf einer erhöhten Plattform saß; seine creme- und goldfarbenen Gewänder waren um ihn gebreitet, in der rechten Hand hielt er einen rotgoldenen Fächer, und auf dem Kopf trug er einen kleinen schwarzen Hut. Er war kleiner als in meiner Erinnerung, aber nicht weniger eindrucksvoll. Er schien acht oder zehn Jahre älter als Shigeru zu sein und etwa einen Kopf kleiner. Seine Züge waren unauffällig bis auf die schön geschnittenen Augen, die seine scharfe Intelligenz verrieten. Ein gut aussehender Mann war er nicht, doch er hatte eine mächtige, bezwingende Ausstrahlung. Mein Entsetzen von einst war sofort wieder wach.
Etwa zwanzig Gefolgsleute hatten sich auf den Boden niedergeworfen. Nur Iida und der kleine Page zu seiner Linken saßen aufrecht. Lange herrschte Stille. Es war kurz vor der Stunde des Affen. Keine Türen standen offen und die Hitze war erdrückend. Unter den parfümierten Gewändern lag der üble Geruch nach männlichem Schweiß. Aus den Augenwinkeln sah ich die Reihe verdeckter Kabinette, aus denen ich das Atmen versteckter Wachen und das schwache Knarren hörte, wenn sie ihre Stellung veränderten. Mein Mund war trocken.
Endlich sprach Lord Iida. »Willkommen, Lord Otori. Das ist ein glücklicher Anlass: eine Hochzeit, ein Bündnis.«
Er redete rau und nachlässig, so dass die höflichen Floskeln aus seinem Mund widersinnig klangen.
Shigeru hob den Kopf und setzte sich gelassen auf. Er antwortete ebenso förmlich, übermittelte die Grüße seiner Onkel und des ganzen Otoriclans. »Ich bin glücklich, dass ich zwei großen Häusern dienen kann.«
Das war ein kleiner Hinweis an Iida, dass sie durch Geburt und Blut von gleichem Rang waren.
Iida lächelte völlig freudlos und antwortete: »Ja, wir müssen Frieden halten. Wir wollen keine Wiederholung von Yaegahara sehen.«
Shigeru neigte den Kopf. »Was vorbei ist, ist vorbei.«
Ich lag noch auf dem Boden, doch ich konnte sein Profil sehen. Sein Blick war klar und direkt, seine Züge wirkten ruhig und heiter. Niemand würde ahnen, dass er etwas anderes war als das, was er zu sein schien: ein junger Bräutigam, der für die Gunst eines älteren Lords dankbar war.
Sie unterhielten sich eine Zeit lang und tauschten Höflichkeiten aus. Dann wurde Tee gebracht und den beiden serviert.
»Der junge Mann ist, wie ich höre, Ihr Adoptivsohn«, sagte Iida, als der Tee eingegossen wurde. »Er soll mit uns trinken.«
Jetzt musste ich mich aufsetzen, obwohl ich das lieber nicht getan hätte. Ich verbeugte mich wieder vor Iida, rutschte auf den Knien vorwärts und zwang meine Finger, nicht zu zittern, als ich die Schale entgegennahm. Ich spürte seinen Blick auf mir, doch ich wagte nicht, ihm in die Augen zu schauen; deshalb wusste ich nicht, ob er mich als den Jungen erkannte, der die Flanke seines Pferdes verbrannt hatte und ihn in Mino auf den Boden stürzen ließ.
Ich betrachtete die Schale. Sie war mit einem glänzenden Eisengrau glasiert und hatte rote Schimmer, wie ich sie noch nie gesehen hatte.
»Er ist ein entfernter Verwandter meiner verstorbenen Mutter«, erklärte Lord Shigeru. »Sie wollte, dass er von unserer Familie adoptiert würde, und nach ihrem Tod habe ich ihren Wunsch erfüllt.«
»Wie heißt er?« Iida ließ mich nicht aus den Augen, während er geräuschvoll aus seiner Schale trank.
»Er hat einen Otorinamen angenommen. Wir nennen ihn Takeo.«
Shigeru sagte nicht: nach meinem Bruder, aber Takeshis Name hing in der Luft, als wäre sein Geist in den Saal geschwebt.
Iida ächzte. Trotz der Hitze im Raum wurde die Atmosphäre frostiger und gefährlicher. Ich wusste, dass Shigeru es merkte. Sein Körper war angespannt, auch wenn er noch lächelte. Unter den Komplimenten lag jahrelange gegenseitige Abneigung, die durch das Vermächtnis von Yaegahara, Iidas Eifersucht und das Leid Shigerus sowie dessen Wunsch nach Rache entstanden war.
Ich versuchte Takeo zu werden, der introvertierte, unbeholfene, lernbegierige Künstler, der verwirrt zu Boden schaute.
»Seit wann ist er bei Ihnen?«
»Seit etwa einem Jahr«, antwortete Shigeru.
»Da ist eine gewisse Familienähnlichkeit«, sagte Iida. »Findest du nicht auch, Ando?«
Er hatte sich an einen der Gefolgsleute gewandt, der seitlich von uns kniete. Der Mann hob den Kopf und sah
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