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Das Schwert in Der Stille

Das Schwert in Der Stille

Titel: Das Schwert in Der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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übel.
    »Was sollte ich deiner Meinung nach tragen?« Er griff nach dem Gewand mit den Pflaumenblüten, und der Mann, der die Sachen gebracht hatte, half ihm, es anzulegen.
    »Das ist schön«, sagte Kenji. »Lasst uns jetzt essen.«
    Doch Lord Shigeru verweilte noch einen Augenblick, fuhr mit den Händen über das feine Tuch und bewunderte die zarte, verschlungene Stickerei. Er sagte nichts, aber ich glaubte etwas in seinem Gesicht zu lesen: Bedauern vielleicht, weil die Hochzeit nie stattfinden würde, und möglicherweise, so denke ich jetzt, eine Vorahnung seines Schicksals.
    »Das werde ich tragen.« Er zog das Gewand aus und reichte es dem Mann.
    »Es ist tatsächlich kleidsam«, murmelte der Mann. »Aber wenige Männer sehen so gut aus wie Lord Otori.«
    Shigeru lächelte offenherzig wie so oft, gab aber keine Antwort und sprach nicht viel während der Mahlzeit. Wir waren alle still, zu angespannt für eine oberflächliche Plauderei und zu wachsam gegenüber möglichen Spionen, um von etwas anderem zu reden.
    Ich war müde, aber unruhig. Die Nachmittagshitze zwang mich, im Haus zu bleiben. Obwohl alle Türen zum Garten hinaus weit geöffnet waren, zog kein Lufthauch durch die Räume. Ich döste und versuchte mich an das Lied des Nachtigallenbodens zu erinnern. Die Geräusche des Gartens, das Summen der Insekten, das Rauschen des Wasserfalls überschwemmten mich, sie hielten mich wach und ließen mich denken, ich sei wieder in unserem Haus in Hagi.
    Gegen Abend fiel wieder Regen und es wurde etwas kühler. Kenji und Shigeru spielten Go, Kenji hatte die schwarzen Steine. Ich musste eingeschlafen sein, denn ich wurde erst von einem Klopfen an der Tür wach und hörte, wie ein Dienstmädchen Kenji sagte, ein Bote sei zu ihm gekommen.
    Er nickte, machte seinen Zug und stand auf, um das Zimmer zu verlassen. Shigeru schaute ihm nach, dann betrachtete er das Brett, als wäre er ganz in die Probleme des Spiels vertieft. Auch ich stand auf und sah die Verteilung der Steine an. Schon oft hatte ich die beiden beim Spiel beobachtet, und immer erwies sich Shigeru als der bessere Spieler; doch diesmal waren die weißen Steine bedroht.
    Ich ging zum Brunnen und spritzte mir Wasser auf Gesicht und Hände. Weil ich mich drinnen gefangen fühlte und zu ersticken glaubte, ging ich über den Hof zur Haupttür des Hauses und trat hinaus auf die Straße.
    Kenji stand auf der anderen Straßenseite und redete mit einem jungen Mann, der die Laufkleidung eines Boten trug. Bevor ich hören konnte, was sie sagten, bemerkte mich Kenji, schlug dem jungen Mann auf die Schulter und verabschiedete sich von ihm. Er kam über die Straße auf mich zu und nahm dabei wieder die Haltung meines harmlosen alten Lehrers ein. Doch er schaute mir nicht in die Augen, und in dem Augenblick, bevor er mich gesehen hatte, war ich mir sicher gewesen, den wahren Muto Kenji wieder vor mir zu haben, wie er schon einmal gewesen war: den Mann unter all den Masken, so skrupellos wie Shigerus Schwert Jato.
    Sie spielten Go bis spät in die Nacht. Ich ertrug es nicht zuzuschauen, wie der weiße Spieler langsam geschlagen wurde, aber ich konnte auch nicht schlafen; ich war mit dem beschäftigt, was vor mir lag, außerdem plagte mich Argwohn gegenüber Kenji. Am nächsten Morgen ging er früh aus, und während er weg war, kam Shizuka mit Hochzeitsgeschenken von Lady Maruyama. In der Verpackung waren zwei kleine Rollen verborgen. Die eine war ein Brief, den Shizuka Lord Shigeru gab.
    Er las ihn, wobei sein Gesicht verschlossen und müde wurde. Was darin stand, sagte er uns nicht; er faltete ihn zusammen und steckte ihn in den Ärmel seines Gewandes. Die andere Rolle betrachtete er flüchtig, dann gab er sie mir. Es war die Beschreibung des Inneren von Iidas Wohnsitz und zeigte deutlich, wo der Hausherr schlief.
    »Sie sollten sie besser verbrennen, Lord Otori«, flüsterte Shizuka.
    »Das werde ich tun. Was gibt es sonst für Neuigkeiten?«
    »Darf ich näher kommen?« Sie flüsterte so leise in sein Ohr, dass nur er und ich es hörten. »Arai stürmt durch den Westen. Er hat die Noguchi besiegt und ist nicht weit von Inuyama.«
    »Weiß das Iida?«
    »Wenn nicht, dann wird er es bald erfahren. Er hat mehr Spione als wir.«
    »Und Terayama? Hast du von dort etwas gehört?«
    »Sie sind zuversichtlich, dass sie Yamagata kampflos einnehmen können, sobald Iida…«
    Shigeru hob die Hand, aber sie schwieg bereits.
    »Dann heute Nacht«, sagte er kurz.
    »Lord Otori.«

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