Das Schwert in Der Stille
rief Shizuka zu: »Ich glaube, ich gehe ins Haus. Ich habe Kopfschmerzen.«
»Ich werde Ihnen das Haar auskämmen und den Kopf massieren«, sagte Shizuka, und tatsächlich kam Kaede das Gewicht ihres Haars unerträglich vor. Unter den Gewändern fühlte sie sich klebrig und wund gescheuert. Sie ersehnte die Kühle, die Nacht.
Doch als sie sich vom Pavillon entfernten, verließ Lord Abe die Männergruppe und kam auf sie zu. Shizuka fiel sofort auf die Knie, und Kaede verbeugte sich, allerdings nicht so tief.
»Lady Shirakawa«, sagte er. »Lord Iida wünscht mit Ihnen zu sprechen.«
Sie versuchte sich ihren Widerwillen nicht anmerken zu lassen und kehrte zum Pavillon zurück, wo Iida bereits auf den Kissen saß. Die Frauen hatten sich zurückgezogen, sie betrachteten den Fluss.
Kaede kniete sich auf den Holzboden und senkte tief den Kopf, während die Blicke seiner tief liegenden Augen, Teiche geschmolzenen Eisens, über sie glitten.
»Sie können sich aufsetzen«, sagte er kurz. Seine Stimme war rau, und die höflichen Floskeln kamen ihm schwer von den Lippen. Kaede spürte, wie die Männer sie anstarrten in der schweren Stille, die ihr vertraut geworden war, der Mischung aus Lust und Bewunderung.
»Shigeru ist ein glücklicher Mann«, sagte Iida, und sie hörte die Drohung und den Spott im Gelächter der Männer. Sie glaubte, er wolle mit ihr über die Hochzeit sprechen oder über ihren Vater, der bereits mitgeteilt hatte, er könne wegen der Krankheit seiner Frau nicht kommen. Iidas nächste Worte überraschten sie.
»Ich glaube, Arai ist ein alter Bekannter von Ihnen.«
»Ich kannte ihn, als er in Lord Noguchis Diensten war«, antwortete sie vorsichtig.
»Ihretwegen hat Noguchi ihn ins Exil geschickt. Er beging einen schweren Fehler, und er hat teuer dafür bezahlt. Jetzt sieht es so aus, als müsste ich mich mit Arai auf meiner eigenen Schwelle auseinander setzen.« Er seufzte tief. »Ihre Hochzeit mit Lord Otori kommt genau zur richtigen Zeit.«
Kaede dachte: Ich bin ein unwissendes Mädchen, das die Noguchi treu und dumm großgezogen haben. Ich weiß nichts von den Intrigen der Clans.
Sie bemühte sich um ein Puppengesicht und eine kindliche Stimme. »Ich will nur tun, was Lord Iida und mein Vater wünschen.«
»Haben Sie auf Ihrer Reise von Arais Unternehmungen gehört? Hat Shigeru nicht irgendwann darüber geredet?«
»Ich habe von Lord Arai nichts gehört, seit er Lord Noguchi verlassen hat.«
»Und doch heißt es, er habe hoch in Ihrer Gunst gestanden.«
Sie wagte es, durch die Wimpern zu ihm aufzusehen. »Man kann mich nicht für die Empfindungen der Männer verantwortlich machen, Lord.«
Kurz trafen sich ihre Blicke. Der seine war durchbohrend, raubgierig. Sie spürte, dass auch er sie begehrte wie alle anderen, gereizt und gequält von dem Gedanken, dass es den Tod bedeutete, sich mit ihr einzulassen.
Abscheu verengte ihr die Kehle. Sie dachte an die Nadel in ihrem Ärmel, stellte sich vor, sie in sein Fleisch zu stechen.
»Nein«, entgegnete er, »wir können auch keinem Mann vorwerfen, dass er Sie bewundert.« Über die Schulter sagte er zu Abe: »Du hattest Recht. Sie ist ausnehmend schön.« Es klang, als spreche er von einem unbelebten Kunstwerk. »Wollten Sie ins Haus? Lassen Sie sich nicht aufhalten. Ich glaube, Sie sind von zarter Gesundheit.«
»Lord Iida.« Sie verneigte sich wieder bis auf den Boden und rutschte auf den Knien rückwärts zum Rand des Pavillons. Shizuka half ihr auf die Füße und sie gingen weg.
Beide schwiegen, bis sie wieder im Zimmer waren. Dann flüsterte Kaede: »Er weiß alles.«
»Nein.« Shizuka nahm den Kamm und begann ihre Arbeit an Kaedes Haar. »Er ist sich nicht sicher. Er hat keinerlei Beweise. Sie haben das gut gemacht.« Ihre Finger massierten Kaedes Kopfhaut und Schläfen. Bald ließ die Spannung nach. Kaede lehnte sich an sie. »Ich würde gern nach Hagi gehen. Kommst du mit?«
Shizuka lächelte. »Wenn es dazu kommt, werden Sie mich nicht brauchen.«
»Ich glaube, ich werde dich immer brauchen.« Eine gewisse Sehnsucht war ihr anzuhören. »Vielleicht wäre ich glücklich mit Lord Shigeru. Wenn ich Takeo nicht getroffen hätte, wenn er nicht verliebt wäre in…«
»Pst, pst.« Shizuka seufzte, ihre Finger klopften und streichelten.
»Wir hätten Kinder haben können«, sagte Kaede langsam und verträumt. »Nichts davon wird jetzt geschehen, doch ich muss so tun als ob.«
»Wir stehen kurz vor einem Krieg«, flüsterte Shizuka.
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