Das Schwert in Der Stille
Sie würden mich verachten.
Ich rief Kenji zu, ich müsse auf den Abort. Er band mir die Füße los und führte mich hin. Wir gingen aus dem kleinen Raum in einen größeren und dann hinunter in den Hinterhof. Ein Dienstmädchen kam mit einer Schüssel Wasser und half mir die Hände zu waschen. Ich war mit viel Blut bespritzt, mehr, als von einem Nagelriss kommen konnte. Ich musste jemanden mit meinem Messer verletzt haben. Wo war das Messer jetzt?
Als wir in das Geheimzimmer zurückkamen, ließ Kenji meine Füße ungefesselt.
»Was passiert als Nächstes?«, fragte ich.
»Versuch noch zu schlafen. Heute ereignet sich nichts.«
»Schlafen! Mir ist, als würde ich nie mehr schlafen!«
Kenji betrachtete mich einen Augenblick und sagte dann kurz: »Das geht vorbei.«
Wenn meine Hände frei gewesen wären, hätte ich ihn getötet. Ich stürzte mich auf ihn und schwang die gefesselten Hände, um ihn an der Seite zu treffen. Es überraschte ihn und wir fielen beide, aber schnell wie eine Schlange drehte er sich unter mir herum und drückte mich auf den Boden. Wenn ich zornig war, so war er es jetzt auch. Schon zuvor hatte ich ihn wütend erlebt, aber jetzt hatte er einen mächtigen Zorn. Zweimal schlug er mir ins Gesicht; es waren Hiebe, die mir die Zähne klappern ließen und mich schwindlig machten.
»Gib auf!«, rief er. »Ich werde es in dich hineinprügeln, wenn es sein muss. Ist es das, was du willst?«
»Ja!«, brüllte ich zurück. »Los, töten Sie mich. Es ist die einzige Möglichkeit, mich hier zu behalten!«
Ich bog den Rücken und rollte mich zur Seite, wurde so sein Gewicht los und versuchte zu treten und zu beißen. Er schlug mich wieder, aber ich kam von ihm los und stürzte mich mit zornigen Flüchen auf ihn.
Draußen hörte ich rasche Schritte, die Türen wurden aufgeschoben. Das Mädchen aus Yamagata und einer der jungen Männer liefen herein. Die drei überwältigten mich schließlich, aber ich war halb von Sinnen vor Zorn, und es dauerte eine Weile, bis sie meine Füße wieder fesseln konnten.
Kenji kochte vor Wut. Das Mädchen und der junge Mann schauten von mir zu ihm und wieder zurück. »Meister«, sagte das Mädchen, »überlassen Sie ihn uns. Wir werden ihn eine Zeit lang bewachen. Sie brauchen ein wenig Ruhe.« Offensichtlich waren sie erstaunt und erschrocken darüber, dass er die Beherrschung verloren hatte.
Monatelang waren wir als Lehrer und Schüler zusammen gewesen. Ich hatte ihm fraglos gehorcht, hatte sein Nörgeln, seinen Spott und seine Strafen ertragen. Ich hatte mein ursprüngliches Misstrauen abgelegt und gelernt, ihm zu vertrauen. Das alles war, was mich betraf, zerstört und würde nie mehr herzustellen sein.
Jetzt kniete er vor mir, packte meine Hand und zwang mich, ihn anzuschauen. »Ich versuche dein Leben zu retten!«, rief er. »Bekommst du das nicht in deinen dicken Schädel?«
Ich spuckte ihn an und machte mich auf einen weiteren Schlag gefasst, doch der junge Mann hielt ihn zurück.
»Gehen Sie, Meister«, drängte er.
Kenji ließ mich los und stand auf. »Was für starrsinniges, verrücktes Blut hast du von deiner Mutter mitbekommen?«, fragte er. An der Tür drehte er sich um und sagte: »Bewacht ihn die ganze Zeit. Bindet ihn nicht los!«
Als er gegangen war, wollte ich schreien und schluchzen wie ein Kind bei einem Wutanfall. Tränen der Wut und Verzweiflung brannten hinter meinen Lidern. Ich legte mich auf die Matratze zurück und drehte das Gesicht zur Wand.
Gleich darauf ging das Mädchen hinaus und kam mit kaltem Wasser und einem Tuch zurück. Es ließ mich aufsitzen und wischte mir das Gesicht ab. Meine Lippe war geplatzt und ich spürte die Prellung an einem Auge und über dem Wangenknochen. Das Mädchen war so sanft, dass ich eine gewisse Sympathie für mich festzustellen glaubte, es sagte aber nichts.
Der junge Mann schaute schweigend zu.
Später brachte sie Tee und einen Imbiss. Ich trank den Tee, weigerte mich aber zu essen.
»Wo ist mein Messer?«, fragte ich.
»Wir haben es«, antwortete sie.
»Habe ich dich verletzt?«
»Nein, das war Keiko. Sie und Aldo wurden an der Hand verwundet, aber nicht zu schwer.«
»Ich wollte, ich hätte euch alle getötet.«
»Ich weiß«, gab sie zurück. »Niemand kann sagen, du hättest nicht gekämpft. Aber du hattest fünf Angehörige des Stamms gegen dich. Kein Grund, sich zu schämen.«
Aber Scham durchdrang mich, als würde sie meine weißen Knochen schwarz färben.
Der Tag verging quälend
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