Das Schwert - Thriller
zu. Der Wagen reihte sich in den spärlichen Verkehr ein und fuhr in Richtung des nächstgelegenen Kontrollpunkts.
8
Das Schwert Allahs
Kairo
Jack folgte Mehdi in ein rückwärtig gelegenes Zimmer. Nie vorher war ihm bei seinen Besuchen hier die kleine Tür in der hinteren Wand aufgefallen. Der alte Mann brachte einen Schlüssel zum Vorschein und schloss auf.
»Nach dir«, sagte er, ließ Jack den Vortritt und knipste das Licht an.
Jack schnappte nach Luft, als die fliehenden Schatten den Raum seinem Blick preisgaben. Eine Handbreit unterhalb der Decke lief ein breites Fries arabischer Kalligraphie an den Wänden entlang. Verse aus dem Koran, erkannte er sofort, aber so überreich verschnörkelt, dass sie stellenweise kaum zu entziffern waren. In der unteren Hälfte hatten die Wände eine Verzierung aus verschlungenen Perlmuttintarsien. Den Bereich dazwischen schmückten Fliesenbilder in Blau und Weiß, vermutlich Isnik-Keramik aus der Türkei. Jack schätzte die Entstehung des Zimmers auf spätes 17. Jahrhundert, etwa hundert Jahre nachdem die osmanischen Sultane sich zu Herrschern Ägyptens gemacht hatten.
Durch zwei kunstvoll gedrechselte Gitterfenster fiel Tageslicht herein. Jack malte sich aus, wie die Frauen eines von Mehdis Vorfahren auf üppig schwellenden Diwanen lagerten, angetan mit den leuchtenden Farben des Harems, und, während nubische Sklaven, entweder Eunuchen oder Frauen, ihnen Kühlung zufächelten, von Zeit zu Zeit durch diese Fenster auf die Straße hinausschauten, verborgen vor den lüsternen Blicken Vorübergehender. Er fragtesich, wovon sie geträumt haben mochten, waren sie doch für ihr ganzes abgeschiedenes Leben auf dieses Zimmer und das öffentliche Bad beschränkt. Er hatte gehört, dass manche reichen Männer sich damit brüsteten, dass ihre Frauen nie das Haus verließen, bis sie endlich im Sarg hinausgetragen wurden.
Das Zimmer enthielt fast kein Mobiliar. In einer Ecke stand ein mit Einlegearbeiten verzierter Stuhl aus Mahagoni, und ein kleines antikes Regal an einer Wand beherbergte vierzig oder fünfzig in Leder gebundene Bücher, auch etliche Exemplare des Koran – auf dem obersten Bord, denn das heilige Buch durfte niemals unter anderen Büchern liegen oder stehen, unter Hüfthöhe oder auf dem Fußboden.
Mitten im Zimmer befand sich ein messingbeschlagener Tisch und darauf eine längliche Truhe im osmanischen Stil.
Mehdi trat an den Tisch und zog einen gewichtig aussehenden Schlüssel aus der Tasche.
»Beachte den Kasten nicht«, meinte er. »Das ist nur ein altes Ding, welches mein Großvater mir geschenkt hat. Ich glaube nicht, dass er besonders wertvoll ist, doch er hat genau die richtige Größe, um meine kleinen Schätze darin aufzubewahren. Beurteile nicht den Inhalt nach dem Behältnis.«
Er schlug den Deckel zurück. Halb und halb hatte Jack erwartet, einen Dschinn in einer Rauchwolke aus der Truhe emporsteigen zu sehen. Stattdessen griff der Buchhändler mit beiden Händen hinein und brachte ein längliches, in weißen Stoff gewickeltes Bündel zum Vorschein. Die Tuchhülle war schmucklos bis auf eine mit goldenen Schriftzeichen durchwebte Borte an einem Rand.
»Ein Tiras«, bemerkte Jack. »Und sehr gut erhalten. Offenbar wurde es unter günstigen Bedingungen aufbewahrt.«
»Um dir die Mühe zu ersparen«, sagte Mehdi, »habe ich es bereits untersucht. Das Tuch war vermutlich ein Ehrengewand,bevor es für seinen jetzigen Verwendungszweck zurechtgeschnitten wurde. Die Schriftzeichen weisen eindeutig darauf hin, dass es aus der Zeit eines der ersten Kalifen stammt, also aus dem frühen 8. Jahrhundert. Das hat mich zuerst verwirrt, so dass ich glaubte, meine Augen hätten mich getrogen. Jetzt bin ich überzeugt, dass es sich um eine spätere Ergänzung handelt. Der Gegenstand darin ist erheblich älter, dessen bin ich ebenfalls sicher.«
Jacks Augen wurden groß. Unmöglich. So gut wie nichts an greifbaren Dingen war aus der Anfangszeit des Islam auf die Gegenwart überkommen.
Der alte Herr wickelte das Tuch behutsam ab und achtete sehr darauf, es nicht zu zerreißen. Ohnehin war es bereits schadhaft, hatte an manchen Stellen Löcher und braune Flecke.
Darunter befand sich eine zweite Umhüllung aus erheblich älter wirkendem Stoff, gröber, rot gestreift, zerschlissen und fleckig. Die Verfärbungen waren Alterungsspuren, doch ohne gründliche Prüfung ließ sich unmöglich sagen, ob er wirklich älter war als die äußere Hülle oder einfach nur zu
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