Das Schwert - Thriller
Gästelisten, im Computer geführt, konnten von jedem mit etwas Geschick ausspioniert werden.
Er hatte unter falschem Namen eingecheckt, als Jim Corbett, und ein kleines Bakschisch bewahrte ihn davor, seinen Reisepass an der Rezeption hinterlegen zu müssen. Morgen wollte er losgehen und sich nach einer preiswerten Unterkunft umsehen, in einer Gegend, wo man keine Fragen stellte.
Natürlich war da nach wie vor sein eigenes Haus in der kühlen, grünen Vorstadt Garden City, von der Botschaft aus zu Fuß zu erreichen, aber er konnte dort nicht einfach wieder einziehen: Jeder, der nach ihm suchte, würde zuallererst unter seiner alten Adresse nachsehen. Wahrscheinlich wurde das Haus beobachtet. Und wenn nicht, gab es dort einfach zu viele Erinnerungen, zu großen Schmerz. Er brauchte ein unauffälliges Quartier. Bis morgen Abend wollte er das Hotel verlassen haben, aber heute hatten erst einmal andere Erledigungen Vorrang.
Am frühen Morgen war er von den altvertrauten Rufen eines halben Dutzends Muezzins geweckt worden, welche die Gläubigen zum Gebet mahnten; die meisten dieser Rufe kamen vom Band und plärrten aus Lautsprechern. Besonders einer knisterte und knackte die ganze Zeit. Die Klarheit der Aussage litt darunter nicht: Es ist Zeit, aufzustehenund zu beten. »Beten ist besser als schlafen«, sangen die Muezzins. Seine Gedanken gingen wieder zu den Gilfillans. Hoffentlich war es Angus gelungen, den Geländewagen los zu werden.
Simon hatte ihm ans Herz gelegt, Scheherezade zu suchen, die Geheimnisvolle, und dazu, überlegte er, musste er mit jemandem in der Botschaft Kontakt aufnehmen, jemandem, der mit Simon Henderson zusammengearbeitet hatte oder mit Emilia oder der Naomi kannte und sich an sie erinnerte und an das, was ihr und ihrer Mutter zugestoßen war. Ihm fielen ziemlich viele Personen ein, die er auf Partys und bei Empfängen kennengelernt hatte, viele von Emilias Mitarbeitern, doch er konnte nicht beurteilen, welcher ein harmloser Angestellter war und wer ein Agent des Secret Intelligence Service SIS.
Bevor er sich auf den Weg zur Botschaft machte, beschloss er, sich neue, angemessene Kleidung zuzulegen. Die Notwendigkeit, anonym zu bleiben, stellte ihn vor einige Probleme. Um sich mit der nötigen Barschaft zu versehen, musste er bei einer Filiale seiner Bank vorsprechen, aber möglichst nicht bei der, wo man ihn von früher kannte.
Er sah Komplikationen auf sich zukommen, erst recht wenn er in den geliehenen Kleidern von Angus am Schalter auftauchte und eine große Summe von einem gut bestückten Konto abheben wollte. Auch in der Botschaft konnte er sich in diesem Aufzug nicht blicken lassen. Glücklicherweise hatte er lange genug in Kairo gelebt, um zu wissen, wie man Hindernisse umging. Alle, die es vorübergehend ins Ausland verschlagen hatte, im Auftrag einer Firma oder Behörde oder aus Abenteuerlust, kurz Expats genannt, waren gewieft, was das anging. Sie kannten die richtigen Leute, wussten, wer in welchem Ministerium für was zuständig war, wo man am meisten kriegte für wenigGeld, wessen Bruder wessen Vetter kannte. Das Problem war, er konnte die üblichen Taktiken nicht anwenden, nicht auf seine üblichen Kontakte zurückgreifen. Schlagartig und überdeutlich wurde ihm klar, dass er auf sich allein gestellt war.
Das Dilemma bestand darin: Wenn er nicht auffallen wollte, musste er sich in Kleidung und Benehmen der Masse anpassen, vielleicht sogar versuchen, sich als Araber auszugeben oder, besser noch, als hellhäutiger Tscherkesse aus Jordanien. Je nachlässiger die Erscheinung, desto glaubwürdiger, leider war es auch die sicherste Methode, um zu erreichen, dass ihm am Tor der Botschaft von einem höflichen, aber entschiedenen Wachposten der Zutritt verwehrt wurde.
Die Hoteldusche traktierte ihn abwechselnd mit heißen und kalten Wassergüssen, aber wenigstens konnte er sich den Schmutz der Reise vom Körper spülen. Nachdem er sich mit einem winzigen Handtuch abgetrocknet hatte, suchte er aus seiner beschränkten Garderobe das Beste heraus und zog sich an, dabei waren seine Gedanken bei der Explosion, die er vor einer Stunde oder so gehört hatte. Wo konnte das gewesen sein? War diesmal jemand getötet oder verletzt worden?
Ein Schritt aus der Tür des Hotels stürzte ihn übergangslos in das Tollhaus namens Kairo. Die Luft war grauweiß vom Staub der Zementfabriken, aus der Wüste herangewehter Sand fügte eine fahlgelbe Nuance hinzu. Auspuffgase von Autos, Bussen und
Weitere Kostenlose Bücher