Das Schwert - Thriller
– jeweils einen Block entfernt – dem ägyptischen Parlamentsgebäude,dem Innenministerium und dem Gebäude der Zentralverwaltung, der berüchtigten Mugamma. Zwei Straßen weiter ragte die modernistische Struktur der US Botschaft, einer Honigwabe ähnlich, aus dem Dächermeer.
Jack und Dschamila hatten einem Verkehrspolizisten an der Qasr-al-Ayni ein üppiges Bakschisch gegeben und ihn gebeten, ein Auge auf ihr Auto zu haben, das gleich hinter der Ecke auf sie wartete. Jacks Plan sah vor, Naomi auf kürzestem Weg zum ebenfalls Qasr-al-Ayni heißenden, besten öffentlichen Krankenhaus der Stadt zu bringen, wenig mehr als eine Meile in südlicher Richtung auf der Straße desselben Namens.
Jacks Nerven lagen blank. Seine Tochter nach allem vielleicht doch noch zu verlieren, jetzt, als er eben zu hoffen wagte, sie wahrhaftig lebend wiederzusehen, wäre schwerer zu ertragen, als damals ihren – wie er glaubte – in Blut schwimmenden Leichnam zu entdecken. Die ganze Nacht hatten ihn Alpträume gequält. Unter einer Kirche zu schlafen hatte nicht zu seinem Seelenfrieden beigetragen.
Viertel nach drei, und nichts zu sehen von Naomi. Jack trat in das Gebäude, um nachzuschauen, ob man sie womöglich in der Eingangshalle gelassen hatte, doch er sah nur Studenten und Angestellte, die von einem Zimmer ins nächste hasteten, von Termin zu Termin. Niemand erkannte ihn.
Er ging wieder nach draußen. Immer noch keine Spur von ihr.
Um halb vier war er verzweifelt. Sie warteten bis 4.00 Uhr. Dann bis fünf, dann bis sechs, dann bis sieben. Längst war es dunkel geworden.
»Ich denke, wir sollten aufgeben, Jack. Irgendwas ist schiefgegangen. Morgen kaufen wir sämtliche Zeitungen. Sie werden mit uns Kontakt aufnehmen. Vielleicht wollen sie sich ja erst vergewissern, dass Schwert und Brieftatsächlich echt sind. Wahrscheinlich ist noch jemand an der Universität damit beschäftigt, die letzten Zweifel aus dem Weg zu räumen.«
Jack schüttelte den Kopf. Ihm hatte ein Blick genügt, um die Möglichkeit einer Fälschung auszuschließen. Ein anderer Gelehrter würde nicht länger brauchen.
»Sie ist tot«, sagte er. »Ich spüre es. Sie haben sie benutzt, um das Schwert zu bekommen. Wer weiß, ob man sie nicht ermordet hat, kaum dass die Kamera ausgeschaltet war. Sie hatten von Anfang an nicht die Absicht, sie mir zurückzugeben.«
Dschamila wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Der Gedanke, Naomi könnte tot sein, drückte ihr das Herz ab, und sie konnte nur ahnen, wie es in Jack aussah.
»Gehen wir zum Auto zurück«, meinte sie. »Noch länger zu warten hat keinen Sinn.«
Vierter Teil
34
Persephone in Ägypten
Der al-Masri-Bunker
Schubra
2.00 Uhr nachts
Naomi hatte große Schmerzen. Das einzige Mittel, das hier unten zur Verfügung stand, war Paracetamol, und das brachte keine Linderung. Samiha hatte mit Mullbinden und billiger antiseptischer Salbe ihr Möglichstes getan, aber die Wunde hörte nicht auf zu bluten, und sie musste in regelmäßigen Abständen den Verband wechseln, was wieder neue Schmerzen verursachte.
Samiha hatte sich von ihrem Computer weggestohlen, um bei Naomi zu sein. Nie zuvor im Leben war sie dermaßen wütend und innerlich aufgewühlt gewesen. Die unglaubliche Grausamkeit, einem Kind den Finger abzuschneiden, machte sie fassungslos. Erwachsenen Schmerzen zuzufügen war schlimm genug, aber ein Kind zu verletzten, absichtlich und kalten Blutes, war in ihren Augen der Gipfel der Unmenschlichkeit.
In der Nacht hatte Naomi zu fiebern begonnen, und seit Mittag ging es ihr von Stunde zu Stunde schlechter. Samiha verstand nichts von Medizin, aber Instinkt und Erfahrung mit ihren eigenen Kindern sagten ihr, dass Naomi sterben würde, wenn man sie nicht schleunigst in ein Krankenhaus brachte. Nur war daran nicht im Traum zu denken. Außer ...
Sie fasste den Entschluss, zu Raschid zu gehen und ihm in klaren Worten mitzuteilen, dass so schnell wie möglichetwas geschehen müsse, wenn man nicht den Tod des Kindes riskieren wollte.
»Naomi«, sagte sie, »du musst noch ein Weilchen tapfer sein. Ich gehe jetzt weg, um zu fragen, ob man mir erlaubt, dich in ein Krankenhaus zu bringen. Es wird nicht lange dauern.«
»Lass mich nicht allein, Samiha.« Naomi hatte kaum Kraft genug zum Sprechen. Ihre Stimme war schwach und tonlos, und sie sank immer wieder in einen Zustand halber Bewusstlosigkeit.
Samiha drückte ihre unverletzte Hand und verließ das Zimmer.
Für Frauen galt es als unschicklich,
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