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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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meine Arme und Beine, und das Wasser war kalt wie Eis. Aus dieser Abzweigung musste die Welle gekommen sein, denn oberhalb von ihr fehlte der Schlamm, der den Weg weiter unten bedeckte. Ich atmete auf, als ich sie hinter mir ließ.
    »Komm«, hörte ich Konrad über mir rufen. »Du hast es gleich geschafft.«
    Ich hob den Kopf und strich mir eine schmutzige Haarsträhne aus dem Gesicht. Es hatte aufgehört zu regnen. Der Schlamm, der meinen ganzen Körper bedeckte, begann zu verkrusten.
    Konrad stand weniger als eine Manneslänge entfernt über mir, ein Schatten in der einsetzenden Dunkelheit. Ich kämpfte mich ihm entgegen, schob mich mit einer letzten Anstrengung auf das Plateau, wo der Weg endete. Konrad setzte sich neben mich auf den Fels und reichte mir seinen Wasserschlauch.
    Ich trank den verdünnten Wein, hustete und sah zurück in die Schlucht. Braun und flach wie Küchenschaben schoben sich Menschen den Weg hinauf. Greise und Krüppel standen am Abgrund, winkten und schrien Worte, die ich nicht verstand. Trotzdem wusste ich, dass sie uns um Hilfe baten, ebenso wie ich wusste, dass wir sie ihnen nicht gewähren würden. Der Kreuzzug wurde gesäubert.
    Ich wandte mich ab. Konrad hatte recht. Es gab nur einen, mit dem wir darüber reden konnten, nur einen, der uns Gottes Zorn erklären konnte.
    »Lass uns Nicolaus suchen«, sagte ich.
    Er war leicht zu finden. Reglos, die Arme dem Himmel entgegengestreckt, als könnte nur er die Wolken davon abhalten, auf uns zu stürzen, stand er auf einem Fels in der Mitte des Plateaus. Brüder umgaben ihn wie ein Palisadenzaun, ihm den Rücken zugewandt. Fast alle hatten die Arme vor der Brust verschränkt. Ich entdeckte Hugo zwischen ihnen.
    »Ich muss mit Nicolaus reden«, sagte ich, als ich vor ihm stehen blieb.
    Er sah mir nicht in die Augen. »Geht nicht. Niemand darf ihn stören.«
    »Wer sagt das?«
    »Nicolaus selbst. Er hat Lukas gebeten, dafür zu sorgen, dass man ihn in Ruhe lässt, damit er den Engel besser hören kann.« Die Antwort schien Hugo unangenehm zu sein.
    Cornelius mischte sich ein. Er stand links neben Hugo, trat jedoch vor, damit ich ihn und wohl auch das Schwert an seinem Gürtel sah. »Vor allem«, sagte er, »sollst du ihn nicht stören, das hat Lukas ganz deutlich gemacht.«
    »Danke, du Trottel.« Hugo schüttelte den Kopf. »Mutter, das hat mit dir …«
    Ich ließ ihn nicht ausreden. »Nicolaus! Ich muss dich etwas fragen!«
    Er blinzelte nicht einmal.
    Cornelius machte einen Schritt auf mich zu. »Hau ab!«, schrie er. Seine Stimme überschlug sich. »Lass ihn in Ruhe! Du machst uns alles kaputt.«
    Auch die anderen Brüder traten vor. Hugo streckte die Arme aus, als wolle er sie aufhalten. »Sie geht doch schon, seht ihr? Es ist alles in Ordnung.«
    Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Konrad von mir abrückte und sich zwischen die Brüder stellte. Er tat das Richtige, trotzdem versetzte es mir einen Stich.
    Ich wich zurück. »Hugo hat recht. Ich werde Nicolaus nicht belästigen, wenn das sein Wunsch ist. Bitte sagt ihm nur, dass ich ihn sprechen möchte.«
    Cornelius verschränkte die Arme vor der Brust. »Das steht uns nicht zu. Das musst du Lukas sagen. Er überbreitet Nicolaus die Bitten seiner Jünger und teilt ihnen seine Antwort mit.«
    »Unterbreitet«, sagte Konrad leise.
    »Jünger?«, fragte ich, überzeugt davon, dass Cornelius das Wort missverstanden haben musste, aber er scheuchte mich bereits mit Gesten davon, als wäre ich ein Huhn, das der Kornkammer zu nahe gekommen war. Ich wandte mich ab und wünschte, Diego wäre bei uns geblieben.
    Ich war kaum zehn Schritte weit gekommen, als jemand meinen Namen rief. »Madlen?«
    »Lena?« Ich schloss sie in die Arme. Ihre Haare waren schlammverkrustet und rochen nach Regen.
    Sie umarmte mich so fest, dass ich aufstöhnte. Rasch ließ sie mich los. »Bist du verletzt?«
    »Nein.«
    Sie ergriff meine Hand und führte mich zu einer kleinen Gruppe, die sich im Schutz einiger Felsen niedergelassen hatte. »Ich bin so froh, dass du noch lebst«, sagte sie. Die Worte sprudelten aus ihr heraus. Sie erzählte mir von der Schlammwelle, als wäre ich nicht selbst dabei gewesen.
    Wir setzten uns zu den anderen. Gottfried war dort, ebenso Ott, Renate und einige Kinder, die aneinandergekuschelt schliefen. Ich berichtete von Eriks Tod.
    Wir schwiegen eine Weile, dann sprach Gottfried ein Gebet. Ich faltete die Hände und dachte an etwas anderes. Erik hätte nicht gewollt, dass wir für ihn

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