Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
Einladung er ihnen gegeben hatte. Ihr Wortführer grinste. »Mit Freuden. Und wenn wir mit dir fertig sind …«, und damit richtete er den Blick auf mich, »… fällt uns bestimmt auch ein, was wir mit deiner Hure anstellen könn…«
Weiter kam er nicht. Diegos Schulter traf seinen Magen, warf ihn hinein in seine Kameraden. Derjenige, der an der Hauswand gelehnt hatte, rutschte weg und schrammte mit dem Gesicht über den rauen Stein, während die beiden anderen zu Boden gingen. Ich wich zurück und nahm die Zügel beider Pferde.
Der Soldat, den Diego getroffen hatte, trat nach ihm, traf jedoch nur Luft. Diego riss ihn vom Boden hoch und schlug mit der Faust auf ihn ein. Seine gesamte Wut, die sich so lange angestaut hatte, musste in den Hieben stecken. Der Soldat sackte zusammen, doch Diego riss ihn wieder hoch und schlug erneut zu, wieder und immer wieder.
»Vorsicht!«, schrie ich, als der zweite Soldat Diego von hinten angriff. Diegos Ellenbogen streifte seinen Kopf, doch er schüttelte sich nur und schlug zu. Der Alkohol betäubte seinen Schmerz.
Diego wurde im Nacken getroffen und brach in die Knie, wobei er den Soldaten, den er festgehalten hatte, losließ. Der Mann ging zu Boden, kroch hustend und Blut spuckend weg von ihm.
Der zweite Soldat holte mit beiden Fäusten aus, doch Diego ließ sich fallen, und der Angreifer stolperte an ihm vorbei. Ein Schlag zwischen die Beine, und er krümmte sich und würgte.
Der dritte stemmte sich gegen die Häuserwand. Eine Seite seines Gesichts war aufgeschürft. Mit einem Blick erfasste er die Lage.
»Wache!«, schrie er. »Wache!«
Diego kam hoch, ich stieg auf mein Pferd. Die Stadt war klein, aber so verwinkelt, dass wir entkommen konnten, wenn wir nur schnell genug waren.
Doch wir waren nicht schnell genug, das erkannte ich in dem Moment, als die vier Soldaten vom Tor mit klappernden Rüstungen und erhobenen Speeren auf uns zuliefen.
Diego nahm den Fuß aus dem Steigbügel und hob die Hände. Seine Knöchel waren aufgeplatzt.
»Tut mir leid«, sagte er.
Ich glitt aus dem Sattel.
»Wie oft soll ich noch sagen, dass es mir leidtut?«
Ich drehte mich weg von ihm, zuckte aber zurück, als der Gestank des fauligen Strohs in meine Nase stach.
Diego seufzte und ging weiter auf und ab, so wie er es schon seit Tagen tat. Seine Ketten klirrten bei jedem Schritt. Er war der einzige Gefangene, den man in Ketten gelegt hatte. Die anderen Männer und Frauen, die sich in den beiden gegenüberliegenden Zellen drängten, waren ungefesselt.
Auch mir hatten die Soldaten nur das Messer abgenommen, bevor sie mich in den Kerker geworfen hatten. Den Geldbeutel, der in der Innenseite des Gürtels steckte, hatten sie nicht bemerkt. Vor den anderen Frauen hielt ich ihn ebenfalls geheim. Zu acht teilten wir uns eine Zelle, die nicht größer war als meine Hütte in Winetre.
In Diegos Zelle hockten sechs ausgemergelte, bleiche Männer. Eisengitter und ein breiter Gang trennten uns voneinander. Die Fenster hoch oben in den Zellen ließen nur wenig Licht hinein und waren so klein, als hätte man vergessen, einen Ziegel in die Mauer einzusetzen.
Meine Wut auf Diego hatte sich in den Tagen nach der Schlägerei nicht gelegt, und der Hunger verstärkte sie sogar noch. Wir bekamen nur selten etwas zu essen, mal einen Kanten Brot für die ganze Zelle, mal einen Topf mit Brei, aus dem wir fraßen wie Schweine aus einem Trog. Ich musste mit den Frauen um jeden Bissen kämpfen, während Diego die Männer nur anzusehen brauchte, um seinen Anteil zu erhalten. Wegen der Ketten hielten sie ihn für gefährlich.
Er war gefährlich. Und ein Narr.
»Du bist ein Narr!«, schrie ich.
Er hob die Schultern, wodurch der Eisenring, den er um den Hals trug, gegen sein Kinn drückte. »Sie hätten sich so oder so mit mir geprügelt.«
»Das weißt du nicht!«
»Ich bin mir ziemlich sicher.«
Die Unterhaltung hatten wir schon dutzendfach geführt. Die anderen Gefangenen beachteten es nicht mehr. Außerdem sprach keiner von ihnen Deutsch.
Diego hockte sich an das Gitter. »Ich habe nachgedacht«, sagte er.
Ich verbiss mir eine Entgegnung.
»Das Geld, das du noch hast, reicht, um den Kerkermeister zu bestechen. Wenn er zu uns kommt …«
»Wieso sollte er?«, unterbrach ich ihn. »Er hat sich noch nie hier blicken lassen.«
»Ich sage ja nur, wenn er kommt, müssen wir bereit sein.« Diego klang gereizt. »Zeig ihm eine Münze, lass ihn den Rest nicht sehen. Ich erkläre ihm dann, wie er an das
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