Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
Sarazenen abgenommen und leben seitdem dort«, sagte Diego, während wir eine Holzbrücke überquerten, die über einen schmalen Fluss führte. »Sie genießen bei ihren Nachbarn nicht den besten Ruf.«
»Warst du schon einmal dort?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, es hat sich nie ergeben.«
Die Aussicht, das zu ändern, schien ihn nicht zu begeistern.
Die Straße führte uns durch ein fruchtbares Tal und hinein in die Berge. Bauern arbeiteten auf den Feldern. Es fiel ein leiser Nieselregen.
Antioch ragte hinter den Mauern empor. Es sah aus, als hätte man die Stadt aus dem Fels geschlagen. Ich erspähte einen Kirchturm und andere hohe Gebäude, manche drei- oder vierstöckig, mit schmalen Fenstern wie Schießscharten. Die Mauer, die sie umgab, war an vielen Stellen beschädigt, teilweise sogar eingestürzt. Steinmetze und dunkelhäutige Sklaven arbeiteten daran, die Schäden auszubessern.
Vereinzelt lehnten ärmlich aussehende Hütten an der Mauer. Moslems war es verboten, in der Stadt zu leben, wie mir Diego erklärte. Ich fand das vernünftig, schließlich will niemand Tür an Tür mit seinen Feinden leben.
Einige Patrouillen begegneten uns, Italienisch sprechende Soldaten mit einem Kreuzwappen auf der Brust. Aber erst am Stadttor wurden wir angehalten.
Vier Soldaten umstellten uns. Einer begann auf Italienisch zu reden. Diego antwortete ihm, fragte dann etwas, wie ich am Tonfall hörte. Die Antwort des Soldaten war kurz und hart, und seine Kameraden lachten daraufhin. Er spuckte sogar vor Diegos Pferd auf den Boden, dann aber ließen sie uns durch.
Ich sah Diego an. »Was war?«
Er räusperte sich. »Ich habe die Soldaten gefragt, ob sie eine große Gruppe Kinder gesehen hätten, aber leider wussten sie nichts darüber.«
»Das haben sie nicht wirklich gesagt, oder?«
»Nein.«
Wir saßen ab und führten die Pferde durch schmale, steile Gassen. Die Häuser auf beiden Seiten waren beeindruckend hoch, zum Teil aber verfallen: Dächer waren eingestürzt, Mauern eingerissen. Wir begegneten Menschen, die aussahen wie Griechen, und vielen Soldaten. Ich hörte Italienisch, Deutsch und andere unbekannte Sprachen, doch der Stadt fehlte die bunte Geschäftigkeit von Genua und anderen Hafenorten, die ich auf unserer Reise besucht hatte. Eine seltsam drückende Stimmung herrschte. Ich schob es auf die Wolken und den Nieselregen.
»Wir sollten jemanden fragen«, sagte ich, als wir in eine Gasse mit kleinen Tischlerwerkstätten und Schneidereien gelangten. Männer saßen unter Stoffmarkisen und arbeiteten. Es roch nach frischem Holz.
Ein Schneider stand auf und winkte uns zu sich. Er sagte etwas auf Italienisch, dann, als wir näher kamen, wandte er sich ab und scheuchte uns mit Gesten und ein paar kurzen Worten davon.
»Was hat er gesagt?«, fragte ich.
»Dass er Christusmörder nicht bedient.« Diego blieb stehen und sah sich um. »Das ist kein guter Ort. Wir sollten ihn schleunigst verlassen.«
»Sobald wir etwas erfahren haben.«
Ich ging voran. Nach einem Moment hörte ich, wie Diego mir folgte.
Er hatte recht, es war kein guter Ort. Die Menschen, die er ansprach, antworteten einsilbig oder taten so, als würden sie ihn nicht mal bemerken. Niemand wollte mit uns reden, ab und zu spuckte jemand vor uns aus. Dabei mussten sie etwas wissen. Die Stadt war so klein, dass der Kreuzzug nicht unbemerkt geblieben wäre.
Ich wischte mir Regenwasser aus dem Gesicht, war so wütend und enttäuscht, dass ich am liebsten geschrien hätte. Vor uns sah ich das Stadttor. Wir hatten den gesamten Ort abgeklappert, ohne etwas zu erfahren. Diego war so gereizt, dass er nach Steinen am Boden trat.
»Du könntest eine Kapu…«, begann ich, aber eine Stimme unterbrach mich.
»Ihr hättet nicht herkommen sollen!« Ich drehte mich um. Vor mir standen drei der Soldaten, die mit uns auf dem Schiff gewesen waren. »Das ist ein Ort für Christen, nicht für Gesindel wie euch.«
Sie waren betrunken und stanken nach Wein. Einer hielt sich an einer Hausmauer fest.
Die Passanten eilten davon, bis wir mit den Soldaten allein in der Gasse standen. In jeder anderen Stadt hätte ich die Wachen am Tor gerufen, aber die Wachen dieser Stadt hätten uns kaum geholfen.
Diego ließ die Zügel seines Pferdes los. Ein gefährlicher Ausdruck stand in seinem Gesicht. »Dann werft mich doch raus.«
Ich war sicher, dass es das Dümmste war, was ich ihn je hatte sagen hören.
Die Soldaten stutzten, schienen nicht glauben zu können, welche
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