Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
konnte den Abdruck, der die Haut aufgerissen und den Knochen eingedrückt hatte, erkennen. Die Augen des Jungen waren geöffnet, zuckten von einer Seite zur anderen. Er schien mich nicht wahrzunehmen.
»Sven!« Knut hinkte heran, ließ sich neben seinem Bruder in den Schlamm fallen. Mit einer Hand strich er ihm durch das Haar. Seine Finger waren blutig, als er sie zurückzog.
»Wird er wieder gesund?«, fragte er mich, weil es wohl keinen anderen gab, den er hätte fragen können.
»Nein. Ich glaube nicht.«
Er begann zu weinen.
Gemeinsam saßen wir neben Sven, weinend und betend, während seine Augen zuckend in den Himmel starrten.
Konrad kam zu uns. Er blieb hinter mir stehen, die Hand auf meine Schulter gelegt, während die anderen das Lager abbauten.
»Mama, Sven weint«, sagte er nach einer Weile, doch es waren keine Tränen, die über Svens Schläfen liefen, sondern nur Regenwasser, das sich in seinen Augen gesammelt hatte. In seinen stillen, starren Augen.
Er war tot.
Wir begruben ihn am Fuße des Hügels. Ich suchte nach Nico laus, um ihn ein Gebet sprechen zu lassen, aber er und Lukas waren verschwunden.
»Sie haben nicht gesagt, wohin sie gehen, nur dass wir nicht auf sie warten sollen«, sagte Gottfried. Mit seinem gesunden Arm trieb er einen Ochsen vor sich her. »Aber ich spreche gern ein Gebet, wenn Knut das will.«
»Das wäre sehr nett von dir.«
Nur eine Handvoll Menschen standen um das frische Grab herum, als Gottfried sein Gebet sprach und allen versicherte, dass Sven den Tod eines Kreuzfahrers gestorben war und bereits an Gottes Seite saß. Konrad stieß ein Kreuz in den Boden, das er aus zwei Ästen und einem Strick zusammengebunden hatte, dann ließen wir Knut am Grab seines Bruders zurück. Die Reise hatte ihm alles genommen, den Vater und die Brüder. Ich hatte Mitleid mit ihm.
»Gottes Wege kann der Mensch nicht ergründen«, sagte Gottfried, als ich das erwähnte. »Nur er weiß, weshalb Knut eine solche Prüfung verdient hat. Verschenk dein Mitleid besser nicht an jemanden, der es vielleicht nicht verdient hat.«
Es war das Grausamste, was ich ihn je hatte sagen hören.
Rasch bauten wir das Lager ab. Die Worte des Ratsherrn hingen über uns wie ein drohender Sturm. Ketzer stellte man auf den Scheiterhaufen. Einen schrecklicheren Tod konnte ich mir nicht vorstellen.
Gottfried, Konrad und ich deckten gerade einen Karren voller Mehlsäcke mit Stoffen ab, als ich Hugos Stimme hörte.
»Mach das nie wieder«, schrie er. »Nie wieder!«
Ich fuhr herum, entdeckte meinen Sohn und Diego am Waldes rand neben den Pferden. Hugo hielt sein Messer in der ausgestreckten Hand, Diego stand einfach nur da. Ich sah seinen linken Arm, die rechte Hand hielt er unter seinem Umhang, und seit dem Abend in Speyer wusste ich, was er dort verbarg.
Konrad ließ den Stoff sinken. »Will sich Hugo mit Diego prügeln?«, fragte er. Die Vorstellung schien ihm zu gefallen, denn er grinste und lief auf die beiden zu.
Ich folgte ihm.
Ein paar Jungen, wahrscheinlich Freunde von Hugo, kamen ebenfalls hinzu. Die meisten anderen warfen nur einen kurzen Blick auf die beiden, dann kümmerten sie sich wieder um ihre Arbeit. Wir hatten nicht viel Zeit.
»Was ist hier los?«, fragte ich Hugo. »Wieso hältst du ein Messer in der Hand?«
Er wandte den Blick nicht von Diego. »Damit er nicht vergisst, was ich sage. Er soll das nicht noch einmal machen.«
»Wovon redest du?«
Diego antwortete an seiner Stelle. »Ich habe ihn in den Wald gezogen, als die Soldaten kamen. Das nimmt er mir übel.«
»Nicolaus hat mich gebeten mitzukommen. Mich! Und jetzt sieht es so aus, als hätte ich ihn im Stich gelassen.« Hugo war so wütend, dass seine Stimme zitterte.
Konrad stieß mich an. »Gleich heult er.«
Ich beachtete ihn nicht. »Steck das Messer weg, Hugo, und zwar sofort!«
»Zuerst muss er versprechen, dass er Nicolaus sagt, was er getan hat. Dass es nicht meine Schuld war.«
»Ich werde es ihm sagen«, versprach Diego.
Hugo ließ das Messer sinken und wischte sich die Nase mit dem Ärmel ab.
Diego nahm die Hand unter seinem Umhang hervor und hob die Schultern. »Ich wollte wirklich nur helfen, Madlen.«
»Ich brauche keine Hilfe von einem wie dir.« Hugo wandte sich ab.
Es war, als spülte eine Welle über Diego hinweg. Er zuckte zusammen, seine Augen weiteten sich, dann hatte er sich wieder in der Gewalt.
»Einem wie mir?«, fragte er. »Was soll das heißen?«
»Nichts.« Hugo steckte das Messer in
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