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Das sechste Herz

Das sechste Herz

Titel: Das sechste Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Egbert Sassmann vom Ermittlerteam Mark im Telegrammstil auf den aktuellen Stand gebracht. Doch keine noch so genauen Schilderungen hätten ihn auf die schockierenden Gegebenheiten, die sie auf dem Gelände der Villa vorfinden würden, vorbereiten können.
    Mark träumte noch heute manchmal davon: wie sie in ihren weißen Schutzanzügen hinter den Kollegen von der Spurensicherung her durch den großen Park gelaufen waren, vorbei an blühenden Rhododendronbüschen, vorbei an einem verwunschenen Pavillon, hin zu dem doppelflügeligen Eingangsportal mit den steinernen Löwen zu beiden Seiten. Wie ein Kollege sie um das Haus herum in den rückwärtigen Bereich geschickt hatte. Er sah den langgestreckten Pool mit dem unnatürlich blauen Wasser darin. Er sah mehrere Beamte der Spurensicherung, zwei von ihnen im Becken, während der Rechtsmediziner am Rand darauf wartete, dass sie die drei Leichen herausfischten und zu ihm ans Ufer brachten, damit er sie auf der bereits ausgebreiteten Plastikfolie untersuchen konnte.
    Mark wusste noch, wie sich sein Verstand zuerst geweigert hatte zu erkennen, dass es sich bei den Toten um Kinder handelte. Zwei Mädchen und ein Junge. Das eine Mädchen war ungefähr im gleichen Alter wie sein Sohn Franz gewesen. Allen dreien hatte man den Bauch bis hoch zum Brustbein aufgeschnitten, Darmschlingen wehten im Blau des Wassers hinter den Körpern her wie dickfaserige Algen mit einem rosa Schweif, weit aufgerissene Augen stierten milchig in den wolkenlosen Himmel über der millionenschweren Villa. Mark hatte keine Ahnung, wie es sein konnte, dass sie alle mit dem Bauch nach oben im Wasser trieben, aber er war auch kein Rechtsmediziner, der das sicherlich erklären konnte. Die drei Kinder mussten schon längere Zeit dort im Pool schwimmen, obwohl bei der Hitze die Verwesung sehr schnell vonstattenging. Ihre Körper waren gebläht, die aufgedunsene Haut schlug Falten.
    Während die Beamten das erste Mädchen – Mark hatte sie auf etwa dreizehn geschätzt – auf die Folie betteten, hatte er sich gefragt, wieso das Wasser nicht rot gefärbt war, bis ihm einfiel, was das bedeutete. Die Täter mussten die Kinder an einer anderen Stelle getötet und aufgeschlitzt haben.
    Nachdem sie sich ein Bild von Pool und Kinderleichen gemacht und alles dokumentiert hatten, begaben sich Mark und seine Kollegen in die Villa. Und dort hatten sie auch das Blut gefunden. Unmengen von Blut. Eingetrocknete Lachen auf den Holzdielen, breite rotbraune Schleifspuren von der Küche in das Badezimmer im Erdgeschoss, blutdurchtränkte Kissen vor dem Sofa im Wohnzimmer. Dazu unzählige winzige Blutspritzer an den Wänden. Im Bad sah es aus, als hätte jemand die weißen Fliesen rund um die große Eckwanne mit einer Spritzmaschine rot besprenkelt. Die Blutspurexperten nannten so etwas »Beschleunigungsspuren«. Sie entstanden, wenn jemand mit hoher Geschwindigkeit auf eine Wunde einwirkte. Später hatten sie herausgefunden, dass diese Muster durch das Aufsägen der Rippen mit einer Handkreissäge entstanden waren. Gestorben waren die drei Kinder durch saubere, glatte Halsschnitte. Einmal quer von Ohr zu Ohr. Danach hatten die Täter sie ins Badezimmer geschleift und in die Wanne geworfen, um die Körper anschließend aufzuschneiden. Warum sie das getan hatten, begriff Mark erst, als ein Kollege sie in den Keller gerufen hatte.
    Zu den beiden mächtigen Kühltruhen, deren eine bis zum oberen Rand mit Eis, Pizza und anderen Fertiggerichten gefüllt gewesen war. In der anderen hatten sie das gefunden, was der oder die Mörder den Kindern herausgeschnitten hatten. Drei kleine Herzen. Tiefgefroren bei minus fünfundzwanzig Grad, fein säuberlich nebeneinander in durchsichtigen Plastikbeuteln verpackt.
    Mark holte tief Luft und starrte auf den eingetrockneten grünen Rand in seiner Tasse.
    »Wusstet ihr zu dem Zeitpunkt schon, dass da noch ein weiteres Kind war? Ein Jugendlicher, besser gesagt?« Agnes goss, ohne zu fragen, Tee nach, und Mark erwachte aus seiner Erstarrung. Mehrere Minuten waren vergangen, in denen er wieder am Tatort gewesen war und das schreckliche Geschehen erneut durchlebt hatte.
    »Zuerst nicht. Aber anhand der Bilder, die überall herumstanden, konnten wir recht schnell feststellen, dass es vier Geschwister waren: Sarah, Lea, Felix und natürlich Magnus, der Älteste.«
    »Und Magnus war verschwunden?«
    »Zuerst dachten wir, die Täter hätten ihn mitgenommen. Keiner von uns konnte sich in dem Augenblick

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