Das sechste Opfer (German Edition)
zeigen, dass in ihrem Geschäft alles Geldschneiderei sei und Kalkül dahinter steckte, wenn sie behaupteten, dass nichts nachzurüsten ginge.
Klare Sache. Er war zu weit gegangen und hätte fast die Pläne der Zwerge in Bezug auf den Profit bestimmter Autohersteller durchkreuzt.
Bei Uwe Zappis, dem Buchhalter von PROSAT, konnte ich nur raten, denn viel fand ich nicht über ihn. Er musste im Sender etwas gehört oder entdeckt haben, was ihn das Leben kostete. Anders ergab sein Tod keinen Sinn. Vielleicht stimmten ein paar Summen auf der Haben-Seite nicht und er stellte zu viele Fragen. Oder er wurde unfreiwillig Zeuge, wie sein Chef mit dem obersten Boss in der Schweiz eine Kampagne beschloss, die ein unwahres Gerücht unter die geneigten Zuschauer streuen sollte, um die Vorhaben der Zwerge voranzutreiben. Er wollte mit seiner Frau sprechen und ihr etwas erzählen, bevor er starb. Er musste etwas mitbekommen haben, was er nicht wissen durfte. Und deshalb landete er vor der U-Bahn.
Bei Andreas Werner, dem Bank-Manager, war es wieder einfacher, den Grund zu finden, denn meine Recherche ergab, dass er kein Unschuldiger war. Er hatte eine steile Karriere gemacht, war innerhalb weniger Jahre von Null auf Hundert durchgestartet, verbrachte viel Zeit in Brüssel, dem Sitz der EU, und hatte mit internationalen Geldern und Geschäften zu tun gehabt. Er war einer von ihnen gewesen. Aber warum musste er sterben?
Ich lehnte mich in Dr. Janoschs Schreibtischsitz zurück und dachte nach.
Das System der Zwerge funktionierte offenbar so, dass Vertreter aus sieben verschiedenen Zweigen der wirtschaftlich stärksten Industriezweige zusammenkamen. Aber wer waren diese Vertreter? Wurden sie gewählt oder berufen?
Wenn ich das Beispiel der Banken betrachtete, so konnte das nur bedeuten, dass jede Bank Europas ihren besten Mann ins Rennen schickte. Die Berliner Staatsbank, The Royal Bank of Belgium, Österreichische Volksbank – sie alle entsandten einen Top-Manager, der sie und ihre Interessen würdig vertreten würde. Weiter nahm ich an, dass aus diesem Pool von Finanzgenies schließlich der Stärkste oder Beste oder Pfiffigste gewählt wurde, der zum Zwerg avancierte – sozusagen zum König der Banker. Er vertrat nun am runden Tisch der Zwerge die Interessen aller Banken und gab Strategien oder Vorgänge an seine Leute weiter.
War es möglich, dass Andreas Werner zu diesem Pool der Top-Leute gehört hatte? Dass er sehr oft unterwegs gewesen war, sprach dafür, denn ich vermutete, dass die Treffen immer woanders stattfanden. Er hatte diesen Kugelschreiber besessen, der offenbar ein Zeichen der Gruppe war. War es eventuell sogar möglich, dass er aussteigen wollte? Denn sowohl seine Sekretärin als auch seine Ehefrau hatten einhellig berichtet, dass er in letzter Zeit angespannt gewirkt hatte. Und er hatte die Nummer von Dr. Gruneveld in seinem Safe, des OTE-Chefs, der sich für mehr Transparenz in Europa stark machte. Sollte Andreas Werner vielleicht sogar ein Zwerg werden und hatte kurz vorher kalte Füße bekommen, wollte ein paar Dinge richtig stellen oder sogar an die Öffentlichkeit bringen? War er deshalb zum Risiko geworden?
Der ewig kopfschüttelnde Banker von der Insel war neu in der Runde, das hatte der Medien-Mann gesagt. Wohl der Ersatz-Mann für Andreas Werner.
Es waren zwar alles nur Spekulationen von meiner Seite, aber durchaus denkbar. Vieles sprach dafür und die Fakten passten zusammen. Und inzwischen setzte ich das Puzzle nicht mehr mit verbundenen Augen zusammen, mittlerweile konnte ich das ganze Bild erahnen.
Ich beließ es jedoch erst einmal bei diesen Vermutungen über Andreas Werner und sah aus dem Fenster. Im Osten ging eine blutrote Sonne auf, die sich gelegentlich hinter zarten, rosa Wolken versteckte. Doch dieses Mal begrüßte ich den Sonnenaufgang nicht, denn er bedeutete, dass ich dieses sichere Büro verlassen musste.
Mir blieb nicht mehr viel Zeit am Computer, ich musste mich beeilen.
Der letzte in der Runde, über dessen Tod ich noch Einzelheiten herausfinden musste, war der Bauunternehmer aus Potsdam, der mit seiner Yacht in die Luft geflogen war. Hier landete ich erstaunlicherweise sofort einen Volltreffer, denn Ulrich, so hieß der Bauherr, hatte aus seinen Plänen keinen Hehl gemacht. Er hatte von irgendwelchen Absprachen auf höchster Ebene gehört und wollte mitmischen, das hatte er in einer Sitzung laut kundgetan. Er habe keine Lust, immer nur zuzusehen, wie andere den großen Wurf machten,
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