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Das sechste Opfer (German Edition)

Das sechste Opfer (German Edition)

Titel: Das sechste Opfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Johannson
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tobten in meinem Hirn und kramten nach einer vernünftigen Erklärung, und schließlich fand ich sie. Ich hatte gerade einen Bissen von einem kalten Würstchen genommen, als mir eine einleuchtende Begründung einfiel: Sie wollte Nicole nicht gefährden. Denn offenbar war ihr klar, dass jeder, der von den Zwergen wusste, keine hohe Lebenserwartung hatte. Und ich Trottel hatte Nicole alles haarklein berichtet. Deshalb hatte sie sie aus meiner Reichweite gebracht.
Dass ich dabei in Lebensgefahr geriet, schien sie allerdings nicht weiter zu bekümmern.
Tapfer schluckte ich die bittere Kränkung hinunter. Denn wenn der Bericht von Degenhardts Tante stimmte, dann waren Clara und Noah Degenhardt ein sehr glückliches Paar gewesen und es musste sie wirklich umgeworfen haben, den geliebten Mann zu verlieren. Auf einmal verstand ich auch ihre merkwürdigen Andeutungen auf dem Balkon, als sie davon sprach, dass sie Dinge tun müsse, die sie nicht gern tue, die ihr leid taten und womit sie andere verletzte. Sie hatte mich gemeint. Das tröstete mich nur bedingt in diesem Moment, aber ein anderer Gedanke versöhnte mich wenigstens ein bisschen mit meinem Schicksal: Ich war erfolgreicher als Noah Degenhardt. Ich hatte die Zwerge gefunden – und lebte noch.
     

Der Traum vom Glück
    Dr. Janosch kam ungefähr gegen sieben, um mich aus dem Büro zu jagen. Er sah müde und erschöpft aus, in seinen Armen hatte er ein paar Sachen zum Anziehen.
»Hier. Die sind für Sie, wenn es Sie nicht stört, dass sie ein paar Toten gehört haben. Ich habe sie aus dem Kleidercontainer im Keller. Sie sind einigermaßen sauber, aber vielleicht sollten Sie sie bei Gelegenheit mal waschen.«
Er warf mir die Sachen in den Schoß.
»Danke.«
Eine Jeans war dabei, eine Kapuzenjacke, ein warmer Pullover und ein Hemd. Sie sahen wirklich sauber aus, rochen auch nicht unangenehm. Wenn Dr. Janosch das mit den Toten nicht gesagt hätte, wäre mir nichts daran aufgefallen. Aber auch so durfte ich nicht allzu wählerisch sein, denn so wie ich jetzt aussah, mit dem abgeschnittenen Hosenbein, konnte ich unmöglich auf die Straße gehen.
»Sie sollten Ihr Bein schonen, es hochlegen, möglichst nicht laufen. Außerdem brauchen Sie viel Ruhe, damit sich Ihr Kreislauf erholt.«
Ich warf ihm einen Blick zu, der ihm sagen sollte, dass ich zu alt sei, um an den Osterhasen zu glauben. Er verstand mich. »Ich weiß, Ihre momentane Situation ist da nicht gerade förderlich, aber versuchen Sie es wenigstens. Ich bin kein Arzt, das heißt, sobald Sie können, sollten Sie zu einem Arzt gehen, der Sie noch einmal gründlich untersucht.«
»Danke.«
»Was haben Sie jetzt vor?«
»Ich muss die ganze Geschichte irgendwie ans Tageslicht bringen, damit sie ein Ende hat.«
»Sie sind Journalist, Sie kriegen das hin. Wenn ich Ihnen helfen soll, dann rufen Sie einfach an.«
»Danke, Sie haben mir schon genug geholfen. Ich hoffe, ich habe Sie da in nichts hineingezogen und Ihnen irgendwelche Unannehmlichkeiten bereitet.«
Er schüttelte den Kopf, aber er wusste ja auch nicht, was hier wirklich los war. Ich stand auf und zog mich um, während Dr. Janosch seine Schicht beendete und für die Übergabe an das nächste Team nach unten in den Konferenzraum ging. Als er wiederkam, hatte ich die Ergebnisse meiner Internetrecherche ausgedruckt in der Hand und wartete fertig angezogen auf ihn, damit er mich durch den Keller und die unbewachte Hintertür nach draußen bringen konnte. Als ich ihm auf der Straße zum Abschied die Hand schüttelte, hatte ich plötzlich etwas Merkwürdiges in meiner Hand, was sich bei näherer Betrachtung als ein paar zusammengerollte Geldscheine herausstellte. Ich wollte ihm danken, doch er war schon auf dem Weg zu seinem Auto. Er winkte mir zu, als er einstieg. Dann verschmolz er mit dem erwachenden Berufsverkehr der Stadt.
    Ich suchte mein Versteck auf, die alte Gartenlaube, in dem ich Franz' Notebook gelassen hatte. Es war noch immer kein Mensch weit und breit hier zu sehen, es wirkte so, als ob ich an diesem Ort sicher wäre.
Ich schaltete probehalber den Lichtschalter an und wurde angenehm überrascht. Das Licht funktionierte. Daraufhin setzte ich mich auf die alte Couch, steckte den Netzstecker des Computers in eine verstaubte Steckdose hinter einem Regal und begann zu schreiben.
Ich hatte große Hoffnungen, dass ein sachlicher Artikel von einem Fachmann bei einer großen renommierten Tageszeitung seinen Zweck erfüllen würde. In diesem Artikel wollte ich von

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