Das sechste Opfer (German Edition)
ich spürte, wie der Druck des Messers in meinem Rücken nachließ.
Ich steuerte auf eine kleine Kneipe zu, die an der Ecke der Straße lag und in meinem Blickfeld auftauchte.
»Was hast du darin geschrieben?« In seiner Stimme schwang Unsicherheit mit.
»Das kannst du morgen lesen. Falls du lesen kannst.«
Ich gab meiner Stimme viel Selbstvertrauen. Viel mehr als ich in Wahrheit verspürte. Aber mein Kommentar war offenbar zu viel für ihn. Der Druck des Messers wurde stärker.
»Werde nicht frech, Freundchen. Ich habe langsam die Nase voll von dir.«
»Und ich von dir.« Ich drehte mich zu ihm um und sah ihm in die Augen. »Bring mich doch um. Ich habe nichts mehr zu verlieren. Es ist mir egal, ob ich lebe oder tot bin, los, stich zu. Aber wenn du es tust, bist du bald ein gejagter Hund wie ich. Soll ich dir schon mal ein paar Tipps geben? Wenn du duschen willst, sind Fitnessstudios zu empfehlen, und sorge dafür, dass du immer genügend Bargeld hast.«
Seine Augen flackerten und der Druck des Messers ließ wieder nach. Er wirkte jetzt sehr verunsichert und angespannt, als müsste er eine schwere Entscheidung treffen. Ich drehte mich um und ging weiter auf die Kneipe zu. Er folgte mir.
Als er nach wenigen Schritten wieder an meiner Seite war, hatte er das Messer eingesteckt, stattdessen hielt er meinen Arm fest. Es tat höllisch weh, aber ich ließ es mir nicht anmerken.
»Halt an«, befahl er mir, doch ich ignorierte es. Nur noch zwanzig Meter bis zum Eingang der Kneipe. Ich überlegte kurz, ob ich ihn in vertrauter Weise mit dem Notebook zur Strecke bringen sollte, als ein Gast aus der Kneipe kam. Er wankte leicht, hatte den glasigen Blick eines Mannes, der die Nächte durchsäuft und die Tage dazu benutzt, sich mit seinem Freund Wodka auf die kommende Nacht vorzubereiten. Müde blinzelte er in das störende Tageslicht und kam auf uns zu. Ich zögerte keine Sekunde und rief ihm zu: »Was gibt es denn heute so zu trinken? Irgendeinen Spezial-Cocktail? Können Sie was empfehlen?«
Der Druck auf meinem Arm wurde noch heftiger, doch ich biss die Zähne zusammen. Der Trinker sah mich erfreut an, dass jemand den Kontakt zu ihm suchte und antwortete erstaunlich klar und deutlich. »Das Bier ist gut, Kumpel. Fassbier. Und Schwarzbier. Auch gut. Wenn du was haben willst, musst du reingehen. Bei Christian. Das Fassbier ist gut. Und das Schwarzbier. Christian zapft dir was.«
»Danke.« Ich holte etwas Geld aus meiner Hosentasche und zeigte es dem Mann. »Ich gebe eine Runde aus.« Wir waren inzwischen bei ihm angekommen. Seine Augen begannen zu leuchten, während sich Manuel von meiner Seite löste und den Griff lockerte. Er gab sich Mühe, den Trinker freundlich anzusprechen.
»Ich glaube, mein Freund hier kann nicht mehr klar denken. Er würde sicherlich gerne einen ausgeben, aber er kann nicht. Er muss nämlich zum Arzt, weil er sich das Bein verletzt hat.«
Bei den letzten Worten schlug er mir mit der Faust auf meinen verletzten Oberschenkel, so dass ich vor Schmerzen in die Knie ging. Bunte Kreise tanzten vor meinen Augen und es dröhnte in meinen Ohren.
Erstaunlicherweise ließ sich der Trinker zu mir hinunter und reichte mir seinen Arm. »Christian hat ein Wunderheilmittel. Bärlauchschnaps! Danach tut dir nichts mehr weh.«
Er half mir auf, so dass Manuel nur zusehen musste, dann stützte mich der Mann, so gut es seine wankenden Beine vermochten, und half mir Richtung Kneipe.
Manuel griff wieder nach meinem Arm und blieb an meiner Seite, bis wir den Eingang erreichten. Dort gingen wir zusammen die zwei Stufen hoch und durch die Tür.
Christian, der Wirt, begrüßte seinen alten Trink-Kumpel mit einem lauten »Da hat wohl einer den Heimweg nicht gefunden«, während er Manuel und mich kritisch musterte. Doch als mein Retter ihm erzählte, dass ich bereit war, eine Runde zu schmeißen, wurde sein Blick freundlicher. Es saßen nur drei Männer am Tresen, die alle so aussahen, als könnten sie eine Runde Bärlauchschnaps gebrauchen. Ihre Gesichter waren müde und verlebt, die Augen leblos, und nur die Aussicht auf ein Freibier brachte etwas Leben hinein. Der Wirt war groß und kräftig, und sein Bauch zeugte davon, dass auch er kein Freibier ausließ.
Doch Manuel zerrte mich zur Seite. Er wandte sich an den Wirt. »Wo sind hier die Toiletten?«
Der Wirt zeigte auf die rechte Wand, wo auch tatsächlich eine Tür war, über der groß und breit »Für kleine Jungs und Mädchen« stand.
Manuel nickte und zerrte mich mit
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