Das sechste Opfer (German Edition)
umgebracht, weil ich ihn verlassen habe. Das ist alles.«
Ich ließ sie in diesem Glauben, erzählte ihr danach noch etwas über meine Rubrik beim Financial Report, was sie offensichtlich als nicht interessant und risikoreich einstufte, dann stellte ich die halbvolle Tasse auf den Tisch, streichelte der todmüden Katze über den Kopf, was diese mit einem genervten Zucken zur Kenntnis nahm, verabschiedete mich von Frau Zappis und ging wieder hinaus.
Die Last der Lüge
Mein nächster Besuch galt der Witwe des Autoverkäufers, der vor wenigen Monaten bei einem Raubüberfall getötet wurde. Doch auf dem Weg nach Spandau klingelte mein Handy. Es war Franz. Ich fuhr rechts ran, so dass ich ungestört mit ihm sprechen konnte. Er erzählte enttäuscht, dass er die Witwe des Bauunternehmers leider nicht erreichen konnte, weil sie sich gerade in Florida aufhalte und dass der Apotheker nicht verheiratet war, so dass er sich jetzt auf die Suche nach der damaligen Freundin machen wolle und später mit einem Bekannten aus der Gerichtsmedizin verabredet sei. Ich berichtete kurz von meinem Gespräch mit Frau Zappis und von meiner Theorie über den Mord auf Grund von Firmengeheimnissen, doch Franz machte nur »hm« dazu.
»Was heißt hier: hm?«
»Ich weiß nicht. Wie passt das zu Andreas Werner?«
»Keine Ahnung. Das werden wir schon noch herausfinden.«
»Du hast Recht. Sag mal, können wir uns morgen woanders treffen?«
»Klar. Wo?«
»Auf dem Schrottplatz in Charlottenburg.«
»Okay.«
Er nannte mir die Adresse. Ich stellte keine weitere Frage dazu, alles Weitere würde er mir sowieso morgen erklären. Seine Stimme klang extrem angespannt, was ich an ihm nur aus den Zeiten des Untergangs unserer Zeitschrift kannte. Normalerweise konnte ihn nichts so schnell aus der Ruhe bringen. Die Geschichte schien ihn wirklich sehr zu beschäftigen.
»Ach, Peter?«
»Ja?«
»Erzähl erst mal keinem von unseren Recherchen. Wir sollten nicht unnötig Staub aufwirbeln. Okay?«
»Okay.«
»Auch nicht Nicole.«
»Geht klar.«
Dann wünschte ich ihm noch viel Erfolg mit dem Gerichtsmediziner, bevor ich auflegte und weiterfuhr.
Der Autohandel ADHAB lag an einer Ecke eines Platzes mitten in Spandau. Die typischen weiß-blauen Fähnchen spannten sich von einer Spitze über die Wagen zum Zaun. Ein Kunde lief über das Gelände, um sich ein paar billige Wagen anzusehen, was von einer Frau mir dunklem Kopftuch aufmerksam beobachtet wurde, die aus einem Schuppen von der Größe eines Wohnwagens sah und auf das Gelände blickte. Dahinter befand sich ein kleines Einfamilienhaus.
Ich ging zu der Frau in dem Schuppen und warf dabei einen Blick auf die Autos um mich herum. Sie sahen alle gepflegt und ordentlich aus. Was sich unter der Motorhaube verbarg, konnte ich natürlich nicht sehen, aber von außen wirkte alles vertrauenswürdig. Aber gerade das war wohl der Trick.
Als ich nahe genug an die Frau herangekommen war, um ihr Gesicht zu sehen, wurde ich überrascht, denn sie war hellhäutig und blauäugig. Unter ihrem auf islamische Weise gebundenen Kopftuch lugte eine blonde Strähne hervor. Sie war vielleicht Ende Zwanzig und sehr hübsch. Ihr Gesicht war rund und ebenmäßig, die rosigen Wangen unterstrichen das Blau ihrer Augen, ihre Lippen waren groß und voll. Ich fand es schade, dass sie ihr Haar unter dem Tuch verbarg und dass auch der Rest ihres Körpers unter mehreren Schichten von Stoffen versteckt blieb.
Sie ging die zwei Treppen des Schuppens hinunter und kam mir entgegen.
»Was kann ich für Sie tun? Was wollen Sie für einen Wagen?«
Sie sprach akzentfrei im besten Berliner Deutsch. Als ich vor ihr stand, sah sie mich mit ihren blauen Augen freundlich an. »Sie wollen bestimmt etwas Sportliches, denke ich.«
»Nein, danke. Obwohl die Wagen sehr gut aussehen.«
»Das ist klar.« In ihrer Stimme klang Stolz mit. »Wir achten auf Qualität. Da werden Sie keinen Wagen finden, der nicht in Ordnung ist. Alles Werkstatt geprüft.«
»Das glaube ich Ihnen. Sie sind Frau Adhab?«
»Ja. Was wollen Sie? Sind Sie vielleicht vom Finanzamt? Die Steuererklärung liegt schon bei meiner Schwester, die hilft mir dabei. Es dauert nur noch ein paar Wochen.«
Ihre Augen hatten etwas Flehendes bekommen, es schien ihr finanziell wohl nicht so gut zu gehen.
»Nein, ich bin nicht vom Finanzamt. Ich bin Peter Mustermann und ich schreibe für den Financial Report. Ich wollte Ihnen gern ein paar Fragen zum Tod Ihres Mannes stellen, wenn es Ihnen nichts
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