Das sechste Opfer (German Edition)
auf Versöhnungskurs.
Ich trat von hinten an sie heran und umarmte sie mit einem Arm, während ich ihr mit dem anderen die Teller aus der Hand nahm. »Warte, ich mach das.«
»Danke. Ich mach noch schnell Kaffee.«
»Wie wär's mal mit etwas anderem als Kaffee? Vielleicht Tee? Oder einem Bier zur Feier des Tages?«
»Bier? Jetzt? Na gut.«
Sie öffnete den Kühlschrank und holte zwei Becks heraus, was mich von der Ehrlichkeit ihres Verhaltens gänzlich überzeugte.
Wir deckten den Tisch und setzten uns schließlich hin, um den Kuchen zu essen. Er war extrem süß und schokoladig, genau wie ich ihn liebte.
Wir redeten über Nicoles Arbeit, was sie diese Woche erlebt hatte, und danach fragte sie mich, was ich so die ganze Woche getrieben hatte. Ich begann, ihr etwas von Recherchen zu erzählen und davon, dass ich Franz bei einem Artikel half. Sie hörte mir aufmerksam zu und nickte immer mal wieder. Als sie wissen wollte, worum es bei dem Artikel ging, erfand ich eine äußerst glaubwürdige Geschichte über gefälschte Polizeiberichte und eventuelle Korruption bei der Polizei, der Franz auf der Spur war. Nicole lauschte meiner Lüge, als wäre sie eine Geschichte aus Tausendundeiner Nacht. Dazwischen fragte sie mich immer mal wieder ein paar Details, die ich ihr gern beantwortete. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie mich aushorchen oder mir auf den Zahn fühlen wollte, ich glaubte eher, dass sie sich wirklich dafür interessierte. Was in mir langsam doch Schuldgefühle aufkommen ließ.
Später saßen wir auf der Couch und sahen uns einen Film an, den Nicole aus der Videothek geholt hatte. Es war eine Liebesschnulze, die erst vor kurzem im Kino lief und beste Kritiken bekommen hatte. Was ich jedoch nicht verstehen konnte. Die Kritiker mussten blind und taub gewesen sein. Oder bestochen. Die Schauspieler waren schlecht, das Drehbuch völlig unglaubwürdig, sämtliche Wendungen vorhersehbar, und jede Szene hatte ich in irgendeinem anderen Film schon einmal genauso gesehen. Aber ich sah mir den Streifen Nicole zuliebe geduldig an und versuchte sogar, dabei wach zu bleiben, während sie ihren Kopf auf meinen Bauch gelegt hatte und in die abstruse Handlung des Filmes vertieft über meine Brust strich.
Ich muss zugeben, in diesen Augenblicken tat es mir auf einmal leid, dass ich sie belog. Es tat mir leid, dass ich sie betrogen hatte. Und es tat mir leid, dass ich nicht wusste, wie ich das wieder gutmachen sollte. Sie gab sich offensichtlich jede erdenkliche Mühe mit mir und ich kam ihr kaum entgegen.
Daraufhin versuchte ich, den ganzen Abend ein wunderbarer, treuer und liebender Ehegatte zu sein, der ihr jeden Wunsch von den Augen ablas. Und sie wiederum versuchte offenbar das gleiche mit mir. Wir kochten später zusammen ein merkwürdiges Gericht aus allen Essensresten, die wir im Kühlschrank finden konnten. Das Zeug dann zu essen, machte fast noch mehr Spaß, als es zu kochen. Dann las ich ihr die Wochenend-Geschichte auf der Kinderseite der Zeitung vor, was ich zu Beginn unserer Beziehung oft getan hatte, da Nicole diese Geschichten liebte. Und danach zogen wir uns langsam gegenseitig aus, um uns zum ersten Mal seit langer Zeit wieder ausgiebig und intensiv zu lieben.
Als wir danach im Bett lagen, legte Nicole ihren Kopf auf meine Schulter.
»Ich bin froh, dass nichts Richtiges zwischen uns steht, nur ein paar Missverständnisse. Es ist doch alles in Ordnung zwischen uns. Oder?!«
»Was meinst du? Was sollte denn sonst zwischen uns stehen?«
»Du warst in letzter Zeit so weit weg, so anders. Du kamst mir so völlig fremd vor. Ich dachte schon, da wäre was. Irgendwas.«
»Das war die Arbeit, die Anspannung wegen des Osterartikels. Mehr nicht.«
Sie schwieg für einen Augenblick. Dann richtete sie sich etwas auf, um mir in die Augen sehen zu können. In der Dunkelheit leuchtete das Weiße ihrer Augen, und ihre Wangenknochen warfen riesige Schatten auf ihr zartes Gesicht.
»Peter. Beantwortest du mir ehrlich eine Frage?«
Sie wirkte plötzlich angespannt und unsicher.
»Was? Welche Frage?«
»Hast du was mit unserer Nachbarin?«
»Was?« Ich fiel aus allen Wolken. »Wie kommst du denn darauf?«
»Warst du wirklich mit Franz unterwegs diese Woche oder hast du dich mit ihr getroffen?«
Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, den ich von Anfang an gefürchtet hatte. Ich begann unkontrolliert zu schwitzen und mein Herz raste, als hätte ich einen Schluck zu viel von Frau Zappis' Kaffee genommen. »Nein, ich war mit Franz
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