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Das sexuelle Leben der Catherine M.

Das sexuelle Leben der Catherine M.

Titel: Das sexuelle Leben der Catherine M. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Millet
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Zunge? Den Fingern? Wie viele Finger hast du ihm in den Arsch gesteckt?« Er legte auch Wert auf banale Dinge, die ich in einer bestimmten Situation oder Umgebung vorfand. »Wir waren in einer leer stehenden Wohnung in der Rue Beaubourg, der Teppichboden war mit Schafen gemustert, er hat mich gleich genommen, auf einer Matratze, die da herumlag.« Oder: »Er ist Rausschmeißer bei der Show von Johnny Halliday. Ich habe die ganze Show von einer Ecke der Bühne aus gesehen, es war, als hätte ich Lautsprecher im Unterleib. Wir sind mit dem Motorrad zu ihm gefahren, die Harley hatte keinen Rücksitz mehr, der Rahmen schnitt mir in die Möse. Als wir schließlich bumsten, war ich schon so offen wie eine aufgeplatzte Pampelmuse.« Gern wurde er auch ein wenig sentimental: »Ist er verliebt in dich?« – »Hm.« – »Er ist sicherlich in dich verliebt.« Am nächsten Morgen stelle ich mich schlafend und höre ihn murmeln: »Catherine, ich liebe dich. Catherine, ich liebe dich.« Und sein Bauch bewegt sich beim Atmen, nicht wie beim Vögeln, sondern wie eine große Katze, die im Schlaf zuckt. In die Sentimentalität mischte sich eine Art Eifersucht bei der Mittelsperson: »Weiß er, dass du mit allen Möglichen schläfst? Er ist eifersüchtig, stimmt’s?« Ein anderer Freund hatte die Angewohnheit, mich auf seine Arbeitsfläche mitten in einem Hightech-Atelier zu legen und mir seinen Schwanz zu präsentieren, den er wie einen riesigen Stempel aus der Blütenkrone eines Höschens mit Spitzenbesatz und Schlitz zog – eine barocke Note in der strengen Umgebung. Das musste ich Dutzende von Malen erzählen, selbst als ich diesen Freund nicht mehr traf; ich musste es nicht mal variieren. Es war auch gut, wenn ich in dieser Stellung kommen konnte, nachdem ich kurz zuvor masturbiert hatte, am Morgen nach dem Aufwachen oder im Büro, und nachdem ich so viele Male hintereinander gekommen war. Ich habe nie ein Abenteuer erfunden, das ich nicht wirklich gehabt hatte, und meine Schilderungen entstellten die Wirklichkeit nicht mehr, als es automatisch bei jeder Umsetzung geschieht. Ich sagte schon, dass Fantasie und Wirklichkeit ähnliche Strukturen aufweisen und bei mir nicht mehr miteinander zu tun haben als ein Landschaftsbild mit dem realen Ort, den es darstellt; ein Bild zeigt eher den inneren Blick des Malers als die Wirklichkeit selbst. Und dass wir diese Wirklichkeit als Bild betrachten, hindert die Bäume nicht am Wachsen und die Blätter nicht am Fallen. Bei den Partys kommt es vor, dass ein Mann, der in eine schon gut gevögelte Möse eindringt, fragt, wie es mit seinem Vorgänger war. »Du hast vorhin geschrien. Sag, er hatte einen fetten Schwanz, stimmt’s? Er musste dich aufstemmen, das magst du. Du hast dich aufgeführt wie eine Frau, die verknallt ist. Doch, doch, ich habe dich gesehen.« Ich muss zugeben, dass ich wider Erwarten ehrlich geantwortet habe – nein, ich war nur in seinen Schwanz verknallt –, weil ich in jenem Moment nicht gegen meine gewissenhafte Natur handeln konnte und weil ich mich nicht immer wiederholen wollte.
    Doch normalerweise fand so ein Austausch außerhalb des fleischlichen Genusses statt. Dann besetzen die Worte den Raum zwischen den Partnern, ein Kartenhaus, das sie im Spiel der Fragen und Antworten bauen und von dem sie fürchten, dass es zusammenbrechen könnte durch ein plötzliches Eingeständnis der Geilheit, den Drang, zu schnell indiskret zu werden. Ein Vorstoß wird also respektiert. Ein Freund befragte mich einmal mit knappen Worten, während er am Steuer seines kleinen, klapprigen Wagens saß: Wann habe ich angefangen mit Gruppensex? Welche Leute trifft man bei Partys? Spießer? Wie viele Frauen machen mit? Wie viele Männer nehmen mich an so einem Abend? Habe ich immer einen Orgasmus? Ich antwortete genauso sachlich. Dann parkte er den Wagen am Straßenrand – nicht, damit wir uns anfassten –, sondern um seine Befragung fortzusetzen, sein Gesicht war unbewegt, sein Blick in die Ferne gerichtet. Ob ich gleichzeitig mehrere nähme, mit der Möse, mit dem Mund. »Das ist der Traum, und dann noch einen in jeder Hand.« Er war Journalist. Irgendwann machte er mit mir ein Interview für eine Illustrierte. In meiner unmittelbaren Umgebung hält man verbal eine Erregung aufrecht, die den Mitgliedern der Gemeinschaft erlaubt, sich an allen möglichen Orten heimlich wieder zu treffen, bei einer Arbeitsbesprechung oder auf einem Fest, und dort die angepasste Normalität zu ertragen,

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