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Das sexuelle Leben der Catherine M.

Das sexuelle Leben der Catherine M.

Titel: Das sexuelle Leben der Catherine M. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Millet
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seine Hand auf meinen Schenkel und schielte mich unsicher an. Er wirkte die ganze Zeit müde und hatte die Gewohnheit, seinen Schädel genauso gedankenlos zu reiben, wie er auch seine großen, knochigen Hände über mich wandern ließ, und er klagte über schreckliche Kopfschmerzen. Ich dachte, er sei nicht ganz bei Trost, und fand ihn eher bemitleidenswert. Ich sah ihn ein paar Mal wieder, er lud mich ins Theater oder in sehr teure Restaurants ein, wo ich mir einen Spaß daraus machte, womöglich für eine Nutte gehalten zu werden und Platzanweiserinnen, Kellner und die Spießer rings herum zu täuschen, denn der kahlköpfige Herr mit der schlaffen Haut unterhielt sich auch noch mit der kleinen Intellektuellen! Noch heute kommt es vor, dass mir unsere Telefonistin Hortense bei Art press einen Anrufer ankündigt, dessen Name mir nichts sagt. »Er behauptet steif und fest, er kenne Sie gut.« Ich lasse durchstellen. An den bedächtigen Worten und dem komplizenhaften Ton merke ich sofort, dass der Fremde das Bild eines kleinen Luders im Kopf hat, das ihm verdammt schöne Erinnerungen beschert hat. (Ähnlich geht es mir, wenn mir bei einer Vernissage oder bei einem Essen ein Mann vorgestellt wird und ich den Eindruck habe, ich träfe ihn zum ersten Mal, doch er sieht mich einige Sekunden länger an als nötig und sagt: »Wir sind uns schon einmal begegnet.« Dann denke ich: Er hatte in einem anderen Leben alle Zeit der Welt gehabt, um mein Gesicht anzuschauen, während ich meinen Blick vielleicht auf sein Schamhaar geheftet hatte.) Mich reizt es nicht mehr so sehr, an solche Geschichten anzuknüpfen, doch ich bin immer noch tief davon beeindruckt, wie sehr Männern die Zeit, die sie mit einem vögelten, präsent bleibt; das macht sie mir auch später noch sympathisch. Es können zehn – was sage ich? –, zwanzig oder noch mehr Jahre vergehen, seit sie mit einer bestimmten Frau geschlafen haben, und sie sprechen davon zu anderen oder zu ihr selbst, als sei es erst gestern gewesen. Ihre Lust ist eine robuste Blume, die keine Jahreszeiten kennt. Sie erblüht in einem Treibhaus abseits banaler Äußerlichkeiten und lässt sie den Körper, den sie an sich drückten, immer mit den gleichen Augen sehen, egal, ob dieser Körper inzwischen welk ist oder steif in einer Kutte steckt. Dennoch habe ich die Erfahrung gemacht, dass sie sich nicht gegen das Realitätsprinzip stellen, wenn es sich aufdrängt. Da ich nicht auf Telefonsex stehe, kommt die Frage wie ein Sesam-öffne-dich oder eben nicht. Zum Beispiel: »Bist du jetzt verheiratet?« – »Ja.« – »Aha. Gut. Also, wenn ich wieder in Paris bin, lasse ich von mir hören, vielleicht können wir uns kurz sehen.« Und dann weiß ich, dass ich nie wieder etwas von ihm höre.
    Noch ein Wort zur Verführung, von der viele Frauen behaupten, sie sei die schönste Phase einer Beziehung. Ich war immer darauf bedacht, dass sie kurz ist. Ich konnte sie nur unter zwei sehr fest umrissenen Umständen genießen und auch das nur, ohne sie lange hinauszuziehen: nach langer Enthaltsamkeit und wenn die Lust schon unbewusst einer tiefen Liebe entsprungen ist – beides außergewöhnliche Umstände.
    Im ersten Fall, die Zeichen: ein unerwarteter und nervender Foto-Termin im Büro, bei dem nichts herauskam, weil das Licht nicht gut genug war; eine Fahrt im Aufzug, so beredt wie eine Sarglegung; flüchtige Küsse, angedeutete, hastige Bisse an meinem nackten Arm, wenn ich ihn über den Layout-Tisch strecken musste … Ich atmete diese Ausdünstungen der Lust ein wie eine Asthmatikerin, die dumm genug war, in ein Treibhaus zu gehen. Ich weiß, dass diese Empfindungen bei mir wenig ausgebildet sind; ich habe sie als eine Art Verspießerung meines erotischen Lebens verbucht.
    Der andere Fall zeigt, dass sich der lebhafteste sinnliche Eindruck seinen Weg durch die am wenigsten empfindsame Öffnung bahnen kann. Ich bin nicht musikalisch und in die Oper gehe ich nur aus Gründen, die mit Musik nichts zu tun haben, doch Jacques hat durch seine Stimme einen Platz im weiten Feld meiner Lust eingenommen. Sie entspricht nicht der landläufigen Vorstellung einer erotischen Stimme, sie ist weder samten, noch ist sie rau. Jemand hatte sie beim Lesen eines Textes aufgezeichnet und mir das Band am Telefon vorgespielt. Ich höre noch heute ihren Klang, der bis zum empfindlichsten Punkt meines Körpers hallte. Ich gab mich einer Stimme hin, die auf mich wiederum den Eindruck machte, als würde sie mit ihrer

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