Das sexuelle Leben der Catherine M.
lassen … Mir ist es peinlich, dass ich Krümel in den Mundwinkeln habe, sage, nein, nein, ich hätte eigentlich gar keinen Hunger, und lasse das Brot verschwinden. Ich gehe mit ihm. Wir fahren mit dem Cabrio auf die große Klippe hinter Nizza. Er nimmt eine Hand vom Lenkrad und antwortet meiner Hand, die die faltige Ausbuchtung seiner Jeans reibt. Die Schwellung, die durch den steifen und gespannten Stoff erschwert wird, ist für mich jedes Mal ein besonderer Reiz. Ob ich irgendwo essen will. Nein. Ich glaube, er fährt ein wenig länger als nötig, macht Umwege, bevor er zu sich nach Hause fährt. Er starrt auf die Straße, während ich seinen Gürtel löse. Vertraut ist die Beckenbewegung nach vorn, die ein Fahrer macht, um das Öffnen des Reißverschlusses zu erleichtern. Dann kommt das umständliche Herausschälen des großen Schwanzes, der nicht ohne weiteres den Ausgang aus seiner doppelten Baumwollhülle findet. Man muss eine ausreichend große Hand haben, um mit einer Bewegung alles herauszuholen, und ich habe immer Angst, dass ich einem Mann wehtue. Er muss mir helfen. Schließlich kann ich ihn gründlich wichsen. Ich fange ganz langsam an, möchte ihn in voller Länge streicheln, die Geschmeidigkeit des feinen Fleischgewands genießen. Ich nehme ihn in den Mund. Ich versuche, mich so klein wie möglich zu machen, um ihn nicht beim Schalten zu stören, und lutsche in mäßigem Tempo weiter. Der Gefahr, die unter solchen Bedingungen auf der Straße entstehen kann, bin ich mir nur allzu bewusst und fordere sie nicht heraus. Soweit ich mich erinnere, war es sehr schön, dennoch wollte ich die Nacht nicht bei ihm verbringen, und er fuhr mich zur Villa, bevor die anderen zurückkamen. Nicht, dass ich nicht auswärts schlafen kann – aber ich wollte den Moment bewahren, den ich mit ihm erlebte, wie einen Gedanken, der sich mitten in einer Diskussion zu einer Träumerei, zu einem privaten Raum ausdehnt, zu dem die anderen ausnahmsweise keinen Zutritt haben.
Wenn ich, wie oben beschrieben, aus freien Stücken dieses Sexualleben geführt und wenn ich mir, wie gerade geschildert, Fluchtmöglichkeiten geschaffen habe, so ist diese Freiheit jedoch nur an ihrem Gegenteil zu messen, an der Unausweichlichkeit der Treffen, der Fremdbestimmtheit einer Kette, deren eines Glied, ein Mann, mich mit einem anderen Glied verbindet, der wiederum mit einem Dritten usw. Meine Freiheit war nicht von der Sorte, die man sich im Spiel des Lebens wieder und wieder nimmt, es war eine Freiheit, die sich nur einmal manifestiert, ein für alle Mal. Ich überließ mich dem Schicksal und nahm es vorbehaltlos an wie eine Nonne, die ihr Gelübde ablegt. Niemals hatte ich etwas mit einem Fremden, der mich im Zug oder in der Metro angesprochen hätte, doch ich habe oft gehört, dass sich leidenschaftliche Geschichten an solchen Orten anbahnten, in einem Aufzug oder in der Toilette eines Cafés. Ich blocke immer ziemlich schnell ab. Ich hoffe, ich mache es mit Humor und bin freundlich, gleichzeitig bin ich jedoch so unzugänglich, das man mich für abweisend halten kann. Es ginge über meine Kräfte, mich auf die Mäander des Verführungsspiels einzulassen, auf das Geplänkel, das es notgedrungen zwischen einer zufälligen Begegnung und dem Beischlaf gibt, auch wenn das Intervall nur kurz ist. Äußerstenfalls könnte ich kopulieren wie ein Tier, wenn die erregte Menge in einer Bahnhofshalle oder in den Gängen der Metro krudeste Lust zulassen würde, wie sie auch abstoßendste Not den Blicken aussetzt. Ich gehöre nicht zu den Frauen, die »das Abenteuer suchen«, Anmache war bei mir selten erfolgreich, und niemals bei Fremden. Doch ich vereinbarte immer gerne Treffen mit Stimmen, die mir am Telefon sagten, sie hätten mich an diesem oder jenem Abend getroffen, auch wenn ich ihnen kein Gesicht zuordnen konnte. Ich war leicht zu finden, man musste nur in der Redaktion anrufen. So ging ich eines Abends in die Oper, La Boheme … Ich kam zu spät und musste den ersten Akt abwarten, bis ich mich schließlich in der Dunkelheit neben den halb Fremden setzen konnte. Angeblich hatten wir uns einige Tage zuvor bei einem gemeinsamen Freund getroffen (die Beziehung wird wieder zu einem möglichen Geplänkel; ein Mann spricht nur selten das Wort »Gruppensex« aus), doch das Profil des Mannes, die Glatze, die Hängebacken sagten mir nichts. Ich zweifelte nicht, dass er an jenem Abend dabei war, doch ich glaube kaum, dass er etwas mit mir hatte. Er legte
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