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Das siebte Kreuz

Das siebte Kreuz

Titel: Das siebte Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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den Hauswarten? Nach und nach geht das durch.« – »Hat man dich gestern raufgehen sehen?« – »Ich kann’s nicht schwören, der Flur war leer.«
     
    »Liesel«, sagte Paul, »weißt du, ich hab so en Durst, ich weiß gar nicht, was das für ein Durst ist, geh doch gleich und hol noch mal Bier.«
     
    Liesel packte die leeren Flaschen zusammen. Sie ging geduldig. Mein Gott, was drückt denn den Mann?
     
    »Wollen wir nicht der Liesel was sagen?« fragte Paul. – »Liesel? Nein. Glaubst du, die läßt mich bei euch?« Paul schwieg. In seiner Liesel, die er von klein auf kannte und durch und durch, gab es auf einmal eine Stelle, die unbekannt war und vollständig undurchsichtig. Beide grübelten. »Deine Elli«, sagte Paul, »deine erste Frau –« – »Was soll mit ihr sein?« – »Ihre Familie ist doch in gehobenen Verhältnissen, solche Leute kennen andere – ob ich da nicht mal hin soll?« – »Nein! Die ist bewacht! Außerdem weißt du nicht, was sie denkt.«
     
    Sie grübelten weiter. Hinter den gegenüberliegenden Dächern war die Sonne im Untergehen. In der Gasse brannten schon die Laternen. Etwas Abendlicht fiel noch herein, schräg und flach, als ziele es vor dem Erlöschen in die entferntesten Winkel. Beide Männer merkten zugleich, daß alles in Sand verfiel, woran sie mit ihren Gedanken rührten. Beide horchten nach der Treppe.
     
    Liesel kam mit ihren Flaschen zurück, diesmal ganz erregt. »Komisch«, sagte sie, »in der Wirtschaft hat jemand nach uns gefragt.« – »Was? Nach uns –« – »Hat sich erkundigt, wo wir wohnen, bei der Frau Mennich. Kann uns doch aber gar nicht kennen, wenn er nicht weiß, wo wir wohnen.«
     
    Georg war aufgestanden. »Ich muß jetzt gehen, Liesel. Vielen Dank für alles.« – »Trink doch noch ein Bier mit uns, Georg.« – »Tut mir leid, Liesel, es ist spät geworden. Also –« Sie drehte Licht an. »Jetzt laß nicht wieder so ‘ne Pause in der Freundschaft eintreten.« – »Nein, Liesel.« – »Wo willst du denn hin?« sagte die Liesel zu Paul, »hast mich nach Bier geschickt –« – »Ich will bloß den Georg bis zum Eck begleiten – ich komm gleich zurück.« – »Nein, bleib hier!« rief Georg. Paul sagte ruhig: »Ich begleit dich bis zum Eck. Laß das meine Sorge sein.«
     
    In der Türe wandte er sich noch mal um. Er sagte: »Liesel, hör gut zu. Du sollst niemand sagen, daß der Georg bei uns war.« Liesel wurde rot vor Ärger: »Also doch was ausgefressen! Warum sagt ihr mir das nicht gleich?« – »Wenn ich raufkomm, sag ich dir alles. Aber halt deinen Mund. Das wird sonst schlimm, auch für mich und für die Kinder.«
     
    Sie blieb starr stehen hinter der zugeschlagenen Tür. Schlimm für die Kinder? Schlimm für den Paul? Ihr wurde heiß und kalt. Sie ging ans Fenster und sah die beiden, einen großen und einen kleinen, zwischen den Laternen gehen. Ihr war bange. Sie setzte sich vor den Tisch und wartete, während es vollends dunkel wurde, auf die Heimkehr des Mannes.
     
    »Wenn du jetzt nicht gleich weggehst«, sagte Georg leise und heiser mit vor Zorn verzerrtem Gesicht, »dich ruinierst du, mir nützt du nichts.« – »Halt’s Maul! Ich weiß, was ich tue. Du gehst jetzt dahin, wo ich dich hinführ. Wie die Liesel da eben raufkam und uns der Schreck in die Glieder fuhr, da hat’s bei mir eingeschlagen. Ich hab ‘ne Idee. Wenn jetzt die Liesel dichthält, was sie bestimmt tut aus Angst für uns, bist du für diese Nacht aus dem Gröbsten raus.«
     
    Georg erwiderte nichts. Sein Kopf war leer, beinah gedankenlos. Er folgte dem Paul in die Stadt hinein. Wozu denken, wenn es zu nichts mehr führt? Nur sein Herz klopfte, als ob es herausgelassen zu werden wünschte aus seiner unwirtlichen Wohnung. Wie vor zwei Abenden, als er sich angeschickt hatte, zu Leni zu gehen! Er versuchte das Herz zu beruhigen: das kannst du damit nicht vergleichen, es handelt sich immerhin um den Paul. Vergiß das nicht. Das hat mit Liebschaften nichts zu tun. Das ist Freundschaft. Du traust niemand? Man muß eben auch Mut aufbringen einem Freund zu vertrauen. Beruhige dich doch. Du kannst nicht immer so weiterklopfen. Du störst mich. »Wir wollen nicht fahren«, sagte Paul, »es kommt nicht auf zehn Minuten an. Ich will dir erklären, wohin ich dich bringe. Heut morgen kam ich schon mal hier vorbei, wie ich zu deinem verfluchten Sauer marschierte. Ich hab hier eine Tante Katharina, die hat ein Fuhrunternehmen, ein Riesengeschäft, drei, vier Wagen.

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