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Das siebte Kreuz

Das siebte Kreuz

Titel: Das siebte Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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unentwirrbaren Fäden, unentknotbaren Telefonschnüren nutzlos gewordener Umschaltungen.
     
    Zwischen den beiden Fenstern hing das Bild des Führers, von dem er, wie er sich das zusammengereimt hatte, zur Macht bestellt war. Fast, nicht ganz zur Allmacht, Herr über Menschen sein, Leib und Seele beherrschen. Macht haben über Leben und Tod, weniger tut’s nicht. Ausgewachsene starke Männer, die man vor sich hinstellen läßt, und man darf sie zerbrechen, rasch oder langsam, ihre eben noch aufrechten Körper werden vierbeinig, eben noch kühn und patzig, werden sie grau und stammeln vor Todesangst. Manche hat man ganz fertiggemacht, manche zu Verrätern, manche hat man freigelassen, mit gebeugtem Genick, mit gebrochenem Willen. Meistens war der Geschmack der Macht schlechthin vollkommen gewesen; manchmal war auch was dazwischengekommen, bei einigen Verhören, zumal bei diesem Georg Heisler. Dieses zarte, glitschige Ding, das einen zuletzt um den ganzen Geschmack bringen kann, weil es einem dann doch zwischen den Fingern wegflitscht, unfaßbar und unfangbar, untötbar, unverwundbar, dieses Biestchen, geschmeidig wie ein Eidechschen. In den Verhören mit Heisler: Immer waren sein Blick und sein Lächeln übriggeblieben, ein Schimmer auf seiner Fresse, auch wenn man noch und noch hineinhieb. – Mit der Genauigkeit, die den Vorstellungen Verrückter zuweilen eigen ist, sah er jetzt bei der Meldung vor sich, wie das Lächeln auf Georgs Gesicht mit ein paar Schaufeln Erde langsam gelöscht und zugedeckt wurde.
     
    Zillich kam herein. »Herr Kommandant«, er atmete schwer, so groß war seine Bestürzung. – »Was?« – »Haben den Falschen angeschleppt« – er erstarrte, weil Fahrenberg eine Bewegung auf ihn zu machte. Zillich hätte sich wohl auch dann nicht gerührt, wenn Fahrenberg auf ihn geschlagen hätte. Bis zur Stunde hatte ihm Fahrenberg keinen Vorwurf gemacht, aus welchem Grunde auch immer. Aber auch ohne Vorwurf erfüllte ein dumpfes allgemeines Gefühl von Schuld und Verzweiflung Zillichs gedrungenen mächtigen Körper bis zum Hals. Er rang nach Atem. »Den sie da drüben in Frankfurt in der Wohnung von Heislers Frau gestern abend aufgegriffen haben, das ist unser Heisler nicht, das ist eine Verwechslung.« - »Verwechslung?« wiederholte Fahrenberg. »Ja, Verwechslung, Verwechslung«, wiederholte auch Zillich, als ob ihrer beider Zungen an diesem Wort sich weideten. »Irgendein Kerl, mit dem sich das Weibsbild getröstet hat. Hab ihn mir angesehen. Wenn der auch jetzt seine Fresse für sein Lebtag weg hat, ich kenn doch meinen Sohn.« – »Verwechslung«, sagte Fahrenberg. Er schien plötzlich über etwas nachzudenken. Zillich beobachtete ihn reglos unter seinen schweren Lidern. Dann bekam Fahrenberg seinen Wutanfall. Er brüllte: »Was ist denn das hier für eine Beleuchtung? Muß man euch erst mit dem Kopf draufstumpen? Hier gibt’s ja wohl keinen, der da oben ‘ne Lampe versetzen kann. Das gibt’s hier bei uns nicht, nicht? Und da draußen! Wieviel Uhr ist’s? Was ist denn das für ein Nebel. Herrgott noch mal, jeden Morgen dasselbe.« – »Das ist der Herbst, Herr Kommandant.« – »Herbst? Diese Scheißbäume da, die müssen abrasiert werden. Kuppt mal die Dinger da draußen, dalli, dalli.« Fünf Minuten später herrschte in und außerhalb der Kommandantenbaracke eine Art handwerkliches Treiben. Ein paar Schutzhäftlinge kuppten unter Aufsicht der SA die Platanen auf der Längsseite der Baracke III. Ein Schutzhäftling von Beruf Elektrotechniker, setzte inzwischen, gleichfalls unter Aufsicht, ein para Lampen um. Während das Knacken der abgeschlagenen Äste und das Quietschen der Sägen von außen hereindrang, lag er auf dem Bauch in der Baracke und nestelte an den Schaltern herum. Einmal blickte er auf und erwischte gerade Fahrenbergs Blick. »So einen Blick«, erzählte er zwei Jahre später, »hab ich in meinem Leben noch nicht gesehen. Ich dachte, der Kerl wird jetzt gleich auf mir herumtanzen, daß mir die Wirbel knacken. Aber er gab mir nur ein Trittchen in den Hintern und sagte: Dalli, dalli, dalli. Schließlich wurden meine Lampen ausprobiert und sie brannten, und dann wurden sie abgedreht, und es war jetzt hell, weil die Platanen auch gekuppt waren und überhaupt, weil es Tag geworden war.«
     
    Der noch immer ohnmächtige Heinrich Kübler war inzwischen in die Behandlung des Lagerarztes gekommen. Die Kommissare Fischer und Overkamp waren zwar überzeugt, daß Zillichs Behauptung

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