Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das siebte Kreuz

Das siebte Kreuz

Titel: Das siebte Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
Vom Netzwerk:
stimmte, dieser Mann sei in keinem Fall Georg Heisler, aber es hatte auch welche gegeben, die nach Besichtigung des unkenntlich geschlagenen Burschen mit Zweifel und Achselzucken antworteten. Der Kommissar Overkamp stieß fortwährend seine kleinen feinen Pfiffe aus, die fast nur Blasen waren, mit denen er sich half, wenn Flüche nicht mehr ausreichten. Fischer wartete, seinen Telefonhörer zwischen Kopf und Schulter geklemmt, bis sich Overkamp ausgeblasen hatte. Lichtbedürfnisse hatte Overkamp keine. In ihrem Dienstraum war immer noch Nacht, die Läden geschlossen, eine gewöhnliche Schreibtischlampe genügte und die bewegliche Hundertkerzenlampe dann und wann für gewisse Verhöre. Fischer unterdrückte ein Gelüst, diese Lampe in das Gesicht seines Vorgesetzten hineinzublitzen, daß er mal mit dem Geblase aufhöre. Da kam ein Anruf aus Worms, der diesem Blasen von selbst ein Ende machte. Fischer rief: »Sie haben den Wallau.« Overkamp langte sich den Hörer, er kritzelte: »Ja, alle vier«, sagte er. Dann sagte er: »Wohnung versiegeln.« Dann: »Herbringen.« Dann las er Fischer vor: »Also: als man vorgestern in den in Betracht kommenden Städten die in Betracht kommenden Serien durchging, kamen außer den Angehörigen Wallaus eine beträchtliche Anzahl Personen in sämtlichen Städten in Betracht. Diese Personen wurden gestern alle noch einmal in Verhör genommen. Machte sich unter den fünf anderen, die aber jetzt natürlich ausscheiden, die man im zweiten Verhör aus der letzten Serie herauszog, ein gewisser Bachmann verdächtig, Trambahnschaffner, dreiunddreißig zwei Monate im Lager, freigelassen zur Beobachtung des Verkehrs – durch Beobachtung dieses Verkehrs sind wir voriges Jahr, erinnern Sie sich, in der Sache Wielands, auf die Spur der Deckadresse von Arlsberg gekommen -, hat sich seitdem politisch nicht mehr betätigt - hat beim ersten und beim zweiten Verhör alles geleugnet, ist, unter Drohung gesetzt, gestern weich geworden. Wallaus Frau hat Sachen in seiner Laube bei Worms untergestellt, will nicht gewußt haben, wozu und was, unter Beobachtung wieder heimgelassen worden zwecks Beobachtung weiteren Verkehrs. Wallau um dreiundzwanzig Uhr zwanzig auf diesem Laubengrundstück verhaftet, verweigert bis jetzt jede Aussage. Bachmann Haus bis jetzt nicht verlassen. Dienst um sechs nicht angetreten, besteht Selbstmordverdacht, von Familie noch keine Meldung – Halt!« sagte Overkamp.
     
    Er ließ Fischer die Nachrichten für Presse und Radio ausgeben, klappten gerade noch für die Morgenmeldungen. Overkamp hatte die Gegenansicht bekämpft: Eine solche sofortige Publikation in vollem Umfang zwecks Mithilfe des Publikums sei zweckdienlich, wenn es sich um zwei, höchstens drei Flüchtlinge gehandelt hätte, eine exakte plausible Zahl, Fluchtumständen anpaßbar, gegen die sich bei entsprechender Meldung das Volksempfinden wenden ließ. Daß aber die Bekanntwerdung eines Fluchtversuchs in solchem Umfang nicht mehr der Fahndung unbedingt dienlich sei, da eine Zahl von sieben, sechs oder auch fünf Flüchtlingen nicht bloß Spielraum nach oben ließ für eine noch größere Zahl, sondern für Mutmaßungen überhaupt, Gefühle, Zweifel, Gerüchte. Alles inzwischen also hinfällig, da mit der Einbringung Wallaus die plausible Anzahl erreicht war.
     
     
     
    »Hast du eben gehört, Fritz«, fragte das Mädchen grußlos, sobald der Junge ins Hoftor trat. Unter einer besonderen Sonne, auf einem besonderen Gras mußte das Taschentuch gebleicht worden sein, das sie sich frisch um den Kopf gebunden hatte. »Was denn gehört?« sagte der Junge. »Vorhin«, sagte das Mädchen, »im Radio.« Der Junge sagte: »Radio. Ich hab jetzt morgens ein Gehetz. Geht der Paul mit dem Vater in den Wein, geht die Mutter zur Milchablieferung, geh ich in den Stall für die Mutter. Alles vor halb acht. Kann mir der Klapperkasten gestohlen bleiben.« – »Ja, aber heut«, sagte das Mädchen, »da war es mit Westhofen was. Die drei Flüchtlinge, daß sie den SA-Mann Dieterling mit dem Spaten erschlagen haben, daß sie in Worms einen Einbruch gemacht haben, daß sie auseinandergegangen sind in drei Richtungen.«
     
    Der Junge sagte ruhig: » So. Komisch. Gestern haben sie im Karpfen erzählt, der Lohmeier aus dem Lager und der Mathes, daß der, der mit dem Spaten was abbekommen hat, Glück gehabt hat, schräg überm Aug und bloß ein Heftpflaster drauf. Drei sagst du –« – »Schade«, sagte das Mädchen, »daß sie noch immer

Weitere Kostenlose Bücher