Das siebte Tor
antwortete die
Schlange mit einer tiefen Verneigung.
»Dann bewache das Todestor. Ich will von diesem
Narren, dem Sartan, nicht gestört werden.«
»Wie Ihr befiehlt, Gebieter.«
Xar beobachtete die Schlange aus den
Augenwinkeln. Sang-drax begab sich gehorsam auf seinen Posten. Der Fürst war
sich im klaren darüber, daß er den heimtückischen Kreaturen früher oder später
würde beweisen müssen, wer der Herr und Meister war. Dieses Mal jedoch konnte
man davon ausgehen, daß die Schlange die Wahrheit sagte. Ihre und seine
Interessen stimmten überein. Beruhigt wandte er seine ungeteilte Aufmerksamkeit
wieder dem Runengefüge zu, das bereits zu verblassen begann.
Kaum fühlte er sich unbeobachtet, als Sang-drax
sich über Haplos scheinbar leblosen Körper beugte. Trotz der Nähe der Schlange
blieben die Tätowierungen dunkel, keine magische Aura hüllte ihn ein. Zur
Sicherheit trat Sang-drax ihm mehrmals mit der Stiefelspitze in die Seite.
Haplo rührte sich nicht.
Xar, von seiner Magie in Anspruch genommen, war
blind und taub für die Vorgänge hinter ihm.
Sang-drax zog aus den Falten seines Gewandes
einen Dolch in Gestalt einer zustoßenden Schlange hervor und richtete den
funkelnden Blick auf Xars ungeschützten Nacken.
Der Trick, sich totzustellen, hatte Haplo im
Labyrinth mehr als einmal das Leben gerettet. Es kam darauf an, die Magie zu
unterdrücken, die natürliche Schutzreaktion seines Körpers, mit dem Nachteil,
daß er tatsächlich wehrlos war. Doch Haplo wußte, daß dieser Sang-drax nicht an
ihm interessiert war; die Schlangen spielten um einen höheren Einsatz. Sie
strebten nach der Herrschaft über das Universum.
Haplo nahm die Fußtritte hin, ohne zu zucken,
obwohl Angst und Abscheu ihn durchfluteten und sein Körper gegen das Böse
aufbegehrte, das seine Sinne zu überwältigen drohte. Er biß die Zähne zusammen
und wagte einen Blick durch spaltbreit geöffneten Lider.
Er sah Sang-drax, und er sah den Dolch – eine
abstoßende, gewellte Klinge von der gleichen stumpfgrauen Farbe wie in ihrer
wahren Gestalt der schuppige Leib der Drachenschlange. Sang-drax kümmerte sich
nicht weiter um Haplo, der Blick seiner glutroten Augen hing an Xar.
Verstohlen schaute sich Haplo in dem Gemach um.
Jonathon saß immer noch regungslos an dem weißen Tisch, unberührt, unbeteiligt,
als hätte sein Schemen ihn verlassen und er wäre tatsächlich nur ein unbeseelter
Leichnam, von seinem Dasein als Wiedergänger erlöst. Hinter der Tür zum
Todestor nur brodelndes Chaos und keine Spur von Alfred.
Falls er noch lebt, ist er vermutlich selbst in
Bedrängnis, überlegte Haplo. Sang-drax wird nicht ohne Verstärkung gekommen
sein.
Wie zur Bestätigung hörte er Alfred einen
Entsetzensschrei ausstoßen. Von ihm war keine Hilfe zu erwarten, und Haplo
konnte nichts tun, um dem Sartan zu helfen. Er hatte eigene Schwierigkeiten.
Vor einem erschreckenden Hintergrund aus Stürmen
und Feuer, aus Finsternis und gischtenden Ozeanen, zeichnete Fürst Xar ein
komplexes Muster aus Runen, um zu bewirken, daß die Elemente der vier Welten
auseinanderbrachen, sich umgestalteten und neu ordneten. Er durfte sich keinen
noch so winzigen Augenblick der Unaufmerksamkeit erlauben. Sollte das gewaltige
Werk gelingen, mußte er mit aller Willenskraft darauf hinarbeiten. Die
Tätowierungen an seinem Körper glommen nur schwach – er war verwundbar.
Sang-drax hob den Dolch und näherte sich lautlos
seinem Opfer, doch um Xar zu erreichen, mußte er an Haplo vorbei.
Wenn mein Gebieter stirbt, fällt der Zauber, an
dem er arbeitet, in sich zusammen. Die Welten wären gerettet. Ich sollte Xar
sterben lassen.
Wie er mich sterben ließ.
Nicht eingreifen, meinen Gebieter sterben
lassen…
Sterben lassen…
»Mein Fürst!« schrie Haplo, als er aufsprang.
»Hinter Euch!«
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Kapitel 32
Das Siebte Tor
Alfred starrte voller Grauen durch das Todestor.
Immer noch mehr Schlangen verließen das Schlachtfeld und glitten mit
unglaublicher Geschwindigkeit auf die offene Tür zu. Die vorderste hatte sie
beinahe erreicht.
»Haplo!« Alfred wollte um Hilfe rufen, doch im
selben Moment hörte er den Schrei, mit dem Haplo Fürst Xar vor der drohenden
Gefahr warnte. Er warf einen Blick über die Schulter und sah, wie sich im
Sanktuarium der Patryn auf Sang-drax stürzte.
Entmutigt wandte er sich wieder der offenen Tür
zu und der Schlange, die sich züngelnd über den Boden wand. Wenn es
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